Vom 23.03. bis zum 26.03. fanden in Graz die Runden 5 bis 8 in der 1. Bundesliga statt. Die Mannschaft von Coach Marcel Bänziger hatte dabei einen schweren Stand, es wurden schlussendlich alle vier Wettkämpfe verloren. Hohenems liegt damit drei Runden vor Schluss nur auf dem 11. Rang.

Hohenems trat an diesem Wochenende ohne Großmeister ersatzgeschwächt an. Am Spitzenbrett saß IM Fabian Bänziger, auf zwei Hohenems Urgestein IM Valery Atlas, auf drei Neuzugang IM Nicolas Brunner, auf vier IM Dennis Breder, auf fünf IM Noah Fecker und am sechsten Brett Benjamin Kienböck.

Am Donnerstag hieß der Gegner ASV Linz. Die Oberösterreicher - neu in der Liga - haben ein absolutes Dream Team vorzuweisen, am Spitzenbrett saß die Nummer 16 der Welt Super GM Maxime Vachier-Lagrave (von Schachfreunden kurz "MVL" genannt). Aber auch der Rest der Mannschaft hatte es in sich. Auf Brett 2 wurde GM Andrey Esipenko (Nummer 56 der Welt), auf 3 GM Parham Maghsoodloo (Nummer 24), auf 4 GM Jules Moussard (Nummer 57), auf 5 GM Arkadij Naiditsch (Nummer 67) und am letzten Brett GM Etienne Bacrot (Nummer 86) aufgeboten. Zum Vergleich: der aktuell elostärkste Emser Nicolas Brunner liegt auf Rang 1349 (sic!).
So klar wie die Setzung schien der Wettkampf lange nicht zu sein. Zwar hatte Linz auf den meisten Brettern etwas Druck, nach einem Kantersieg sah es aber nicht unbedingt aus. Je länger der Wettkampf andauerte, um so klarer setzte sich die Klasse der Favoriten durch. Am Schluss gab es für Hohenems die Höchststrafe: 0-6, alle Partien gingen verloren.

Am Freitag bekam man es mit der Spielgemeinschaft Fürstenfeld-Hartberg zu tun. Die Südoststeirer hatten keinen guten Saisonauftakt erwischt und hatten wie Hohenems zu diesem Zeitpunkt nur zwei Mannschaftspunkte auf dem Konto. Hohenems war auch hier klarer Außenseiter, aber die Trauben hingen dann doch nicht ganz so hoch, saßen bei den Gegnern doch "nur" drei Großmeister (und drei internationale Meister) an den Brettern.
Am Spitzenbrett saß IM Fabian Bänziger GM Ferenc Berkes gegebenüber. Fabian hatte mit Weiß die Partie immer unter Kontrolle, stand nie schlechter sodass sein Gegner sich mit dem 40. Zug zur Zugwiederholung (und damit Remis) entschied.
IM Valery Atlas packte gegen GM Robert Markus sein berüchtigtes tschechisches Benoni aus. Nach 30 Zügen schien es, als ob Valery eine Festung errichtet hatte - die Bauernketten waren verzahnt und keine Seite hatte eine offene Linie oder Bauernhebel um die Stellung zu sprengen. Leider verirrten sich Valery Figuren in Richtung Damenflügel was der serbische Großmeister ausnutzte um mit einem Opfer Figur für zwei Bauern die Stellung zu öffnen. Valery hatte hier nichts mehr entgegenzusetzen, ein Bauer nach dem anderen fiel.
IM Nicolas Brunner war gegen IM Dominik Horvath top vorbereitet. Horvath spielte mit Schwarz eine der Hauptvarianten im Königsinder - das übliche Spiel schwarzer Druck auf dem Königsflügel vs. weiße Offensive am Damenflügel resultierte. Der Computer war mit Nicolas Stellungsbehandlung sehr zufrieden. Diese Stellungen erfordern aber oft einen Genauigkeitsgrad von den Spielern, die für einen Menschen schwer zu erreichen ist. Die Stellung erwies sich als leichter zu spielen für Schwarz. Vor der Zeitkontrolle baute Horvath einen Angriffsdruck auf, der nicht mehr zu kontrollieren war.
IM Dennis Breder bekam von GM Bence Korpa ein Londoner System vorgesetzt, das sich in ein Caro-Kann Abtausch transformierte. Dennis schien vorerst mit Schwarz die Stellung im Griff zu haben, aber nach ein paar verpflichtenden Bauernzügen hatte Dennis plötzlich eine nicht deckbare Schwäche auf e6. Beim Versuch die Wasser etwas zu trüben wurde Dennis König Opfer der gegnerischen Streitkräfte.
IM Noah Fecker packte gegen IM Florian Mesaros mit Weiß die Wiener Partie aus. Es entwickelte sich eine sehr verwickelte Stellung, bei der der Computer zwar Schwarz in klarem Vorteil sah, die Stellung jedoch so komplex war, dass alle drei Ergebnisse mehr oder weniger gleich wahrscheinlich schienen. Im 30. Zug eröffnete Mesaros für Noah die erhoffte taktische Chance. Leider konnte Noah diesese nicht nutzen und so war es sein König, der Opfer der gegnerischen Angriffsbemühungen wurde - Noah konnte diese nur mit (zu) hohem Materialverlust stoppen.
Benjamin Kienböcks Gegner IM Florian Pötz versuchte Benjamin mit dem Larsen Angriff (1. b3) zu verwirren. Dies gelang nicht, Benjamin hatte die Stellung gut unter Kontrolle, Weiß musste sich in einer Igelstruktur aufstellen. Der Igel zeigte leider einmal mehr seine Stacheln und nachdem Pötz einen Springer auf d6 festsetzen konnte war klar, dass es für Benjamin schwierig werden sich zu verteidigen. Er versuchte dies mit einem taktischen Trick zu bewerkstelligen, dieser stellte sich aber als inkorrekt heraus.
Obwohl eine Zeit lang ein 3-3 nicht völlig unmöglich schien, resultierte der Wettkampf in einem ernüchternden 0.5-5.5.

Nach den zwei hohen Niederlagen kam am Samstag Jenbach - der Tabellenführer - gerade recht. Jenbach brachte dabei mehr oder weniger die deutsche Nationalmannschaft an die Bretter (Jenbach setzte sich aus den Nummern 2, 3, 4, 8, 13 und 17 der deutschen Rangliste zusammen).
IM Fabian Bänziger bekam von GM Matthias Blübaum einen eher ungewöhnlichen Angriffsversuch gegen die Damenindischen Verteidigung vorgesetzt. Blübaum ließ dabei die eigene Entwicklung etwas schleifen und ging mit Dame und Springer gegen die schwarze Stellung vor. Leider fand Fabian nicht die korrekte Verteidigung gegen diesen direkten Angriffsversuch, er musste einen Bauern "spucken" und fand sich schnell in einem ziemlich aussichtslosen Damen+Springerendspiel wieder.
IM Valery Atlas Gegner GM Liviu-Dieter Nisipeanu versuchte die Partie mit der Winawer Variante in der französischen Verteidigung von Beginn and komplex zu gestalten. Valery ist aber nicht als Spieler bekannt, der sich vor Verwicklungen fürchtet. Nach einer Ungenauigkeit des Deutschen mit rumänischen Wurzeln opfterte Valery eine Qualität für die er viele Bauern bekam. Bei genauen Spiel wäre sogar ein direkter Bauerndurchbruch in Richtung Umwandlung möglich gewesen, Valery ließ diese (nicht ganz offensichtliche) Chance aber aus, es entstand ein Endspiel Springer + 4 Bauern gegen Turm + 1 Bauer, nachdem Valerys Bauern aber strukturell entwertet waren, hieß das logische Resultat Remis.
IM Nicolas Brunner kam mit Schwarz gegen GM Rasmus Svane zuerst etwas unter Druck. Nicolas konnte diesen aber relativ leicht abstreifen und plötzlich war er es, der die Schwächen in der weißen Stellung unter Beschuss nahm. Svane versuchte sein Bestes die Stellung komplex zu halten und so griff Nicolas leider bei der Auswahl zwischen zwei Abwicklungen zur falschen. Svane tauschte zwei Türme gegen Nicolas Dame ab - generell eher ein Vorteil für die Seite die mit den Türmen spielt, hier war jedoch die mangelnde Koordinaten zwischen den Türmen, die offene schwarze Königsstellung und die leicht angreifbaren Bauern ein entscheidender Vorteil für Weiß.
IM Dennis Breder versuchte mit einem Anti-Sizilianer eine gröbere Theorischlacht gegen GM Alexander Donchenko zu verhindern. Das Rezept schien jedoch zuerst nach hinten loszugehen, Schwarz platzierte einen gedeckten Freibauern auf d4 mitten in die weißen Reihen. Dennis konnte aber durchaus Gegenchancen finden. Leider verbrauchte er - wie üblich - sehr viel Zeit sodass er in dann schlechterer Stellung ein Matt in 3 übersah.
IM Noah Fecker spielte mit Schwarz gegen GM Dennis Wagner eine moderne Variante des Damengambits mit frühem a6. Wagner konnte sichtbar mit dieser Variante nichts anfangen, nach 21 Zügen entstand ein Springerendspiel in dem Schwarz keinerlei Probleme hatte. Im Gegenteil - Wagners Versuche irgendwo einen Vorteil zu erlangen gingen fast nach hinten los. Mit einem genauen Königszug hätte Noah seinen Gegner gewaltig ins Schwitzen bringen können. Nachdem er diese Möglichkeit ausließ einigte man sich schnell auf Remis.
Benjamin Kienböcks Gegner GM Rainer Buhmann spielte gegen Benjamins spanische Eröffnung die sogenannte Breyer Variante. Wie für den Spanier üblich entwickelte sich ein sehr komplexes Mittelspiel mit langen Maneuvern. Benjamin konnte lange mit seinem klar favorisierten Gegner mithalten, kurz vor der Zeitkontrolle nutzte jedoch Buhmann Schwächen in Benjamins Stellung aus und sich einen Bauern einverleiben. Benjamin kämpfte sehr gut weiter - das schließlich entstandenen Damenendspiel war wohl lange in der Remisbreite, aber nach sechs Stunden Kampf setzte sich der Deutsche GM doch durch.
Am Schluss resultierte der Wettkampf in einem 1-5 - ein Ergebnis das das Geschehen an den Brettern nicht völlig widerspiegelte. Ein Mannschaftspunkt war wohl außerhalb der Möglichkeiten, aber ein knapperes Ergebnis gegen die Spitzenmannschaft wäre verdient gewesen.

Zum Abschluss hieß am Sonntag der Gegner Feffernitz. Wiederum fand man sich in der Außenseiterrolle wieder.
Am ersten Brett traf IM Fabian Bänziger auf GM Nijat Abasov. Der Aseri wählte dabei die schottische Eröffnung. Fabian kam ganz ordentlich ins Spiel, wählte dann aber eine etwas eher unglücklichere Abwicklung bei der er beide Türme für die Dame geben musste. Die weißen Türme konnten sich schnell koordinieren und bei Schwarz fiel ein Bauer nach dem anderen.
IM Valery Atlas wählte gegen IM Tim Janzeljs Caro-Kann Verteidigung die nicht unpopuläre Zwei-Springer Variante. Valery rochierte sehr schnell groß während sein Gegner den König vorübergehend im Zentrum ließ. Der Slowene nutzte die Zeit stattdessen Valerys unterentwickelten Königsflügel unter Beschuss zu nehmen. Valery wurde in eine Abwicklung gezwungen, die ihn eine Figur für zwei Bauern geben ließ. Die Anzahl der Bauern war jedoch weniger entscheidend, schließlich hatte Valery gleich drei Freibauern, sein Gegner nach dem (nicht erzwungenen und für Valery sicher willkommenen) folgenden Damentausch nur zwei. Die massive Anzahl an Freibauern wurde von einem Vorarlberger FM mal spöttisch "Galtür Angriff" genannt. Solche komplexe Endspiele sind sehr schwierig zu spielen - üblicherweise leichter für den Spieler mit mehr Bauern (weil er im Zweifelsfalle einfach einen Bauern schieben kann, was selten schlecht ist). Valerys Gegner war nicht im Stand sich der Bauernlawine zu erwehren, was den ersten (und einzigen) Emser Sieg am Wochenende bedeutete.
IM Nicolas Brunner spielte gegen GM Matej Sebelnik ein komplexes System in der katalanischen Eröffnung. Nicolas schien gut vorbereitet zu sein, löste die ersten Probleme souverän. Nach einer unglücklichen Entscheidung wie mit einem weißen Springer auf d6 umzugehen sei geriet er etwas unter Druck, Nicolas hatte zwar zwei Bauern mehr, seine Königsstellung war jedoch offen wie ein Scheunentor und Weiß hatte einen Freibauern der es weit in Richtung Umwandlungsfeld schaffte. Der slowenische GM verbrauchte jedoch viel Zeit wodurch er Möglichkeiten ausließ und sich schließlich mit einer Zugwiederholung zufrieden geben musste.
IM Dennis Breder spielte wie am Vortag einen Anti-Sizilianer, dieses Mal gegen IM Jan Subelj. Dennis kam gut ins Spiel, gab eine Qualität für einen Bauern und gutes Figurenspiel. Der Computer sah Dennis sogar in Vorteil, am Brett war dieser jedoch nicht so leicht zu erkennen wodurch die beiden Spieler die Züge wiederholten und die Friedenspfeife rauchten.
FM Noah Fecker erlebte gegen Andreas Diermair ein déjà vu. Der Steirer wiederholte die Eröffnung von Noahs Gegner vom Vortag. Noah hatte wenig dagegen auszusetzen, erreichte er doch mit Schwarz ein sicheres Springerendspiel. Im Gegensatz zu Noahs Gegner am Vortag riskierte Diermair nichts, nach 30 Zügen kam ein Remisangebot das kaum abzulehnen war.
Die Entscheidung ob Hohenems Graz doch mit einem oder zwei Mannschaftspunkten verlassen kann musste auf dem letzten Brett fallen. Benjamin Kienböck war dort klarer Außenseiter gegen IM Peter Schreiner. Auch hier wurde die Eröffnung des Vortags wiederholt, die gute alte spanische Partie. Benjamin sah sich früh zu einem Bauernopfer am Damenflügel genötigt, die Partie blieb jedoch völlig offen. Es folgte ein langer Grabenkampf mit Figurenmaneuvern. Vor der Zeitkontrolle entschied Benjamin die Initiative an sich zu reißen und öffnete die Stellung und opferte einen weiteren Bauern. Im 42. Zug hatte Benjamin die Chance mit einem fantastischen Bauernvorstoß die Partie im Gleichgewicht zu halten, er ließ diese Möglichkeit aber aus und opferte stattdessen eine Qualität. Nach einer weiteren taktischen Abwicklung hatte Benjamin drei Leichtfiguren für zwei Türme, die Partie blieb weiter spannend. Leider behielt Schreiner die Übersicht über die Partie und wickelte in ein für ihn gewonnes Endspiel ab.
In Summe hieß das 2.5-3.5 und leider keine Mannschaftspunkte. Ganz überraschend kam dies nicht, war doch im Vorhinein klar, dass die Trauben in Graz sehr hoch hängen würden. Am Schlusswochenende in Linz scheinen die Gegner etwas mehr in Reichweite zu liegen, um aber doch noch die Klasse zu halten werden in drei Wettkämpfen mindestens fünf Punkte, wenn nicht sogar deren sechs notwendig sein.

Detailergebnisse und Partien:

http://chess-results.com/tnr634528.aspx?lan=0