Am Wochenende vo 29. September bis zum 1. Oktober begann die 2. Bundesliga West 2023/24 mit den Vorarlberg-internen Runden und mit ihr eine neue Zeitrechnung für den SK Hohenems: nach über 28 Jahren in der höchsten Liga muss die erste Mannschaft nun zumindest vorerst mit der Westliga vorliebnehmen. Der Auftakt zur Mission Wiederaufstieg gelang dabei: die drei Vorarlberger Konkurrenten wurden allesamt geschlagen.
Gespielt wurde in den eigenen Klubräumen, geleitet wurden die Wettkämpfe souverän vom internationalen Schiedsrichter Stephan Hofer.
Auftaktgegner war der SK Lustenau. Ein Blick auf die Aufstellungen zeigte, dass wir in der leichten Favoritenrolle waren, leicht würde es aber nicht werden. Am Spitzenbrett spielte IM Fabian Bänziger mit Schwarz gegen GM Marian Petrov. Petrov brachte eine eher selten gespielte Eröffnung ans Brett: die Wiener Partie. Fabian zeigte sich gut vorbereitet und konnte relativ locker ausgleichen. Der bulgarische Großmeister in Diensten der Lustenauer versuchte mit Bauernvorstößen am Königsflügel die Initiative an sich zu reißen, Fabian konterte aber korrekt mit einem Gegenstoß am Damenflügel. Es entstand eine kuriose Bauernstruktur bei der alle Bauern "vereinzelt" waren - bei Petrov war dabei einer verdoppelt. In der weißen Zeitnot ging ein Bauer verloren, die schwarzen Freibauern am Damenflügel schienen nicht zu stoppen. Nach ein paar ungenauen Zügen von Fabian schaffte es der weiße König jedoch nahe genug an Fabians Freibauern heran, die Partie schien nun in Richtung Remis zu kippen. Fabian stellte seinem Gegner auf dem Brett aber weiter schwere Fragen, eine beantwortete dieser falsch und Fabian konnte in eine völlig gewonnenes Bauernendspiel abwickeln.
FM Fabian Matt schnappte sich gegen Uros Nisavic früh einen Bauern und klammerte sich an diesen. Die Entscheidung schien zuerst korrekt, Uros hatte wohl keine ausreichenden Kompensationen. Nach einer etwas unnötigen Schwächung der eigenen Bauernstruktur unterlief Fabian aber ein folgenschwerer Fehler, auf ein Schach seines Gegners wählte er das falsche Feld für seinen König, ein nicht parierbarer Mattangriff war die Folge.
Benjamin Kienböck brachte gegen Rainer Bezler die Caro-Kann Verteidigung ans Brett. Rainer wich den langen Hauptvarianten aus, versuchte sein Heil in einer kompletten Kontrolle des Damenflügels - eine Strategie die sich auszuzahlen schien, Benjamin schien stark unter Druck. Jedoch waren die Varianten, die den weißen Vorteil hielten / ausbauten taktisch sehr komplex und leicht zu übersehen, so schaffte es Benjamin die Struktur zu unterminieren und sich einen Bauern einzuverleiben. Nach einer Abwicklung in ein gewonnenes Turmendspiel konnte Benjamin den vollen Punkt sicherstellen.
Julian Kranzl spielte gegen Klaus Doskocil. Klaus spielte wie üblich Altindisch auf Julians 1. d4. Julian konnte sich schönes Spiel gegen die Schwächen in der schwarzen Stellung erarbeiten, Klaus konnte vorerst alle Drohungen noch parieren. Es wurde viel herum manövriert, ohne dass sich jedoch die Stellungseinschätzung (Julian hat klaren Vorteil) änderte. Kurz vor der Zeitkontrolle gelang Julian der Durchbruch: mit einer taktischen Abwicklung schnappte er sich zwei Bauern. Nach ein paar weiteren Zügen gab Klaus auf.
Auf Brett 5 bekam es Emilian Hofer mit Schwarz mit Peter Maier zu tun. Peter versuchte den Fokus auf Stabilität zu setzen. Dies gelang jedoch nur bedingt: Emilian hatte einen bombenstarken Läufer auf e5, mit dessen Hilfe er zuerst einen Bauern auf h2 gewinnen konnte und anschließend die entstandenen Schwächen in der weißen Königsstellung entscheidend ausnutzen konnte. Nach 24 Zügen war die Partie bereits für uns erfolgreich beendet.
FM Nikolas Pogan hatte Gernot Hämmerle als Gegner. Wer Gernot nur ein Bisschen kennt weiß, dass bei ihm immer mit allem zu rechnen ist - beginnend mit dem ersten Zug. Und tatsächlich reagierte Gernot auf Nikos 1. Sf3 mit dem unkonventionellen Zug b5. Es resulierte ein damenloses Mittelspiel. Nach 17 Zügen bot sich für Gernot die Möglichkeit eine Figur für zwei Bauern zu opfern und Gernot ließ sich (wie fast zu erwarten war) nicht zwei Mal bitten. Der Computer stufte das Opfer als inkorrekt ein, am Brett war die Sache aber definitiv nicht einfach. Nachdem Niko die Stellung langsam unter Kontrolle brachte, sah er sich mit einem weiteren Figurenopfer ausgesetzt. Nach 31 Zügen hatte Gernot immer noch alle acht Bauern, Niko deren nur noch vier - allerdings zwei Leichtfiguren mehr. Nikolas entschied sich eine der Figuren für mehrere Bauern und Vereinfachungen zurückzugeben, die Partie war nun entschieden. Der Ausflug auf den "Planeten Hämmerle" war für Hohenems an diesem Tage erfolgreich.
In Summe resultierte ein 5-1 Sieg. Der Erfolg war auch in dieser Höhe durchaus verdient.
Am Samstag hieß der Kontrahent SK Bregenz. Nachdem die Aufstellungen bekannt gegeben wurden herrschte im Lager der Emser großer Optimismus, war Bregenz doch an diesem Tag stark ersatzgeschwächt. Der Wettkampf war dann jedoch deutlich knapper als die Ausgangslage.
IM Fabian Bänziger spielte am ersten Brett gegen IM Henryk Dobosz. Fabian schaffte gegen Dobosz Chebanenko System im Semi-Slawisch es nicht einen Vorteil zu erreichen. Die Stellung verflachte sehr schnell, bei der erstbesten Möglichkeit wurde (zurecht) von den Spielern entschieden die Partie mit Remis zu beenden.
IM Dennis Breder bekam es auf Brett 2 mit Harald Amann zu tun. Harry ist selber gebürtiger Hohenemser und ist beim SK Hohenems schachlich groß geworden. Und entgegen der Papierform machte er Dennis große Probleme, Harry hatte klaren positionellen Stellungsvorteil. Im 26. Zug entschied sich Dennis für ein Verzweiflungsopfer und gab eine Qualität für einen Bauern - die Hoffnung lag wohl etwas auf dem eigenen Läuferpaar. Nachdem Harry es zuließ, dass Dennis einen starken Springer auf c5 einzementierte, schien Dennis Opfer sich langsam auszuzahlen. Harry gab die Qualität zurück, es entstand ein für Dennis leicht angenehmeres Endspiel in dem sich dann der Elounterschied doch bemerkbar machte und Dennis nach langem, hartem Kampf den vollen Punkt verbuchen konnte.
Benjamin Kienböck sah sich Christian Kozissnik gegenüber. Gefühlsmäßig spielen die beiden bei jedem Wettkampf Hohenems gegen Bregenz gegeneinander. Benjamin spielte eine Partie wie aus einem Guss, gegen Kozissniks Französisch platzierte er einen Monsterspringer auf d4 und startete anschließend einen Königsangriff. Er fraß dabei zwei eigentlich gedeckte schwarze Bauern mit seinem Läufer - in beiden Fällen war das Schlagen des Läufers aus taktischen Gründen Tabu. Seelenruhig tauschte Benjamin in ein Endspiel ab und schnappte sich einen Bauern nach dem anderen. Mit drei Bauern weniger hatte dann Kozissnik genug gesehen.
Julian Kranzl hatte es mit dem "Emser Schreck" Alexander Moosbrugger zu tun. Moosbrugger gilt als supergefährlicher Spieler gegen den schon so mancher Elofavorit - eben auch aus Hohenems - das Nachsehen hatte. Zuerst schien jedoch gar nichts in diese Richtung zu deuten. Julian holte sich einen Bauern für die Moosbrugger keinerlei Kompensationen erhielt. Es wurde bis in ein Turmendspiel abgewickelt. Moosbrugger verteidigte sich sehr zäh, das Endspiel war ab einem gewissen Zeitpunkt wohl bei optimalem Spiel Remis. Julian versuchte sein Bestes seinem Gegner weiter Probleme zu machen. Im 64. Zug passierte jedoch das Unvorstellbare: während Julian über seinen Zug nachdachte, schritt Schiedsrichter Stephan Hofer ein und erklärte die Partie für beendet. Was war passiert? Julian war so tief in Gedanken versunken, dass er komplett auf die eigenen Zeit vergaß und die Uhr bis auf 0 herunterlaufen ließ.
Emilian Hofer spielte gegen Alaa Akel, ein aus Syrien stammender Spieler, der seit einem guten Jahr die Vorarlberger Schachszene aufmischt. Letztes Jahr holte er in der Landesliga auf dem letzten Brett spielend 10.5 Punkte in 11 Partien (einzig der Emser Améz Gouali konnte ihm ein Remis abknöpfen), auch an diesem Wochenende holte er zwei Punkte in drei Runden. Emilian war jedoch an diesem Tag eine zu hohe Hürde. Nach einer etwas suboptimalen Eröffnung von Akel, entbrannte ein heißer Fight. Die Stellung war hochkomplex. Der Computer sah zwar Emilian immer klar im Vorteil, am Brett war die Sache aber alles andere als einfach. Im 34. Zug spielte Emilian den entscheidenden Bauernvorstoß, die schwarze Stellung brach auf Grund eines seit langer Zeit auf c7 befindlichen weißen Freibauern zusammen.
Der Emser Kapitän Philipp Lins legte an diesem Tag auch selber Hand an und spielte gegen Martin Mauthner. Philipp spielte Pirc das jedoch strukturell in einer Art Caro-Kann Vorstoß / Französisch Vorstoß resultierte. Die Stellung war lange Zeit ausgewogen, kurz vor der Zeitkontrolle unterlief Philipp jedoch ein Fehler. Sein König geriet unter Beschuss, die eigenen Figuren waren zu weit weg um in die Verteidigung eingreifen zu können. Philipp musste beide Bauern vor seinem eigenen König hergeben, diese wurden durch weiße Bauern ersetzt. Einen Zug vor dem Matt hatte Philipp genug gesehen.
Aus der nominell ganz klaren Angelegenheit resultierte ein knapper, wenn auch verdienter, 3.5-2.5 Sieg.
Am Sonntag ging es zum Abschluss des Wochenendes gegen den SK Dornbirn.
Am Spitzenbrett spielte IM Fabian Bänziger mit Schwarz gegen IM Milan Novkovic - selber viele Jahre bei Hohenems aktiv. Milan spielte (zumindest für mich etwas überraschend) 1. e4 gefolgt von dem auf Weltklasse Niveau so populären Gioco Piano. Milan hatte nach der Eröffnung klaren Vorteil, die schwarzen Figuren waren damit beschäftigt irgendwie den Laden zusammenzuhalten. Milan fand zwar die entscheidenden Manöver nicht, an der Stellungsbewertung änderte sich aber nichts. Kurz vor der Zeitkontrolle versuchte Fabian die Stellung zu komplizieren und zu forcieren. Mit dem 40. Zug opferte Milan positionell einen Bauern, die Idee war an sich die richtige, jedoch ein paar Züge zu spät. Die Stellung war dann wohl im dynamischen Gleichgewicht. Fabian hatte einen Bauern mehr aber keine richtigen Möglichkeiten Fortschritte zu machen. Die beide Spieler einigten sich stellungsgerecht auf Remis.
IM Dennis Breder hatte es mit FM Günter Amann - ebenfalls langjähriger Emser Bundesligaspieler - zu tun. Günter gilt als der beste Eröffnungstheoretiker in Vorarlberg. An diesem Tag überraschte er Dennis mit einer Art "Arkhangelsk" in der Spanischen Eröffnung. Die von Günter gewählte Zugumstellung gilt als nicht besonders gut für Schwarz, wer Günter kennt, der weiß, dass diese Einschätzung aber falsch sein dürfte. Tatsächlich hatte Günter nach der Eröffnung eine stabile Stellung am Brett. Das weiße Läuferpaar schien Weiß zwar Vorteil zu geben, dieser war wohl nur symbolisch. Nachdem Günter die Sache forcierte, verschwand viel Material vom Brett und Dennis sah sich genötigt ein Dauerschach zu geben.
Benjamin Kienböck spielte gegen Elia Cafasso. Benjamins Stellung schien nach der Eröffnung wacklig, Elia übersah jedoch eine taktische Abwicklung, die ihn einen Bauern kostete. Kurz vor der Zeitkontrolle bot sich für Benjamin die Chance einen weitere Bauern zu schlagen, Weiß schien jedoch starke Kompensationen zu erhalten. Benjamin hatte aber alles sauber durchgerechnet, die Damen konnte er abtauschen und mit dem König im Zick-Zack nach vorne marschieren. Elia konnte zwar einige Bauern am schwarzen Königsflügel schlagen, aber Benjamin brachte dafür einen Bauern bis auf die gegnerische Grundreihe durch.
Julian Kranzl hatte es mit WFM Julia Novkovic zu tun. Julian wirkte sichtbar angeschlagen von der Vortagsniederlage. Er hatte zwar einen kleinen Stellungsvorteil, nach einem sehr starken Zug von Julia sah er sich aber gezwungen eine frühe Zugwiederholung zuzulassen.
Emilian Hofer saß Christian Salerno gegenüber, die beiden sind in der Schweiz Mannschaftskollegen beim SK St. Gallen. Christian - als Angriffsspieler bekannt - wählte die Wiener Partie und hatte starken Angriff gegen Emilians König. Emilian fand einige einzige Züge und hatte vielleicht etwas das Glück des Tüchtigen, dass seine Stellung zusammenhielt. Nachdem die Damen getauscht wurden, startete eine längere Manövrierphase, bei dem sich Emilians Klasse zeigte, nach und nach überspielte er seinen Gegner. Christian hielt sich Stellung lange komplex, aber Emilian behielt die Übersicht.
Leon Nussbaumer bekam es mit Christian Rüscher zu tun. Christian schien die Sache schnell unter Kontrolle zu bringen, jedoch bot sich Leon die Chance mittels Figurenopfer die Wasser zu trüben. Leon wählte diese Option, ein paar Züge später griff er aber daneben. Rüscher griff seinerseits daneben, plötzlich schien Leons Angriff nicht zu stoppen. Leon hatte die Optionen Dauerschach oder vier Bauern für Figur, er entschied sich fürs Weiterspielen. Die Materialverteilung - Turm und sechs Bauern gegen Turm, Läufer und zwei Bauern - schien vielversprechend, auch weil Leon kein Risiko einzugehen schien - der schwarze Läufer war der "falsche": einer der beiden schwarzen Bauern war ein Randbauer, der Läufer nicht der der Umwandlungsfeldfarbe. Leon versuchte seine Bauernlawine ins Rollen zu bringen, nach einem unglücklichen Zug auf dem Flügel mit annähernder Parität geriet Leons Stellung jedoch ins Wanken - ein Bauer nach nach dem anderen fiel. Selbst mit Turm und drei Bauern gegen Turm, Läufer und zwei Bauern hatte Leon gute Remischancen, bis er eine taktische Abwicklung übersah und die Partie schließlich komplett einstellte.
Wie am Vortag gab es ein 3.5-2.5 Erfolg, dem Pech am letzten Brett stand Spielglück am ersten Brett gegenüber, das Ergebnis war also wohl gerecht.
Nach den Auftaktrunden liegt Hohenems mit dem Punktemaximum auf Rang 2, hinter Royal Salzburg, die ebenfalls alle drei Wettkämpfe für sich entscheiden konnten.
Detailergebnisse und Partien: