Eine Woche nach dem Ende der 1. Bundesliga wurde vom 21.04. bis zum 23.04.2023 die 2. Bundesliga West beendet. Hohenems war dabei einmal mehr der Veranstalter, gespielt wurde im Atrium der Firma OMICRON electronics in Klaus. Hohenems war zwar als 3. in die Schlussrunden gegangen, mit 3 Punkten Rückstand auf Leader Zillertal, aber die Kombination aus Auslosung (neben Zillertal wartete noch die Spitzenmannschaft von Absam auf uns) und ersatzgeschwächter Aufstellung ließen alle Träume vom Klassenerhalt in der 1. Bundesliga durch die Hintertür im Keim ersticken. So gab es schließlich drei 2-4 Niederlagen, aber man hat sich dabei durchaus achtbar geschlagen - selbst der eine oder andere Mannschaftspunkt wäre in Griffweite gewesen.
Am Freitag traf man auf Schwarzach im Pongau.
Am Spitzenbrett bekam es FM Fabian Matt mit GM Mladen Palac zu tun. Der kroatische GM kontrollierte in einem Anti-Berliner das Zentrum, das Gegenspiel war für Fabian am Damenflügel zu suchen. Dies gelang bis zu einem gewissen Grad auch. Als aber Palac die Sache forcierte, verlor Fabian den Faden und entscheidendes Material.
Emilian Hofer spielte gegen IM Dinko Brumen. Brumen spielte im Najdorf Sizilianer (wenn man die Partievariante überhaupt als Najdorf klassifizieren kann) eine eher seltene Variante. Emilian erreichte erst auch eine Stellung mit gewissen Vorteilen. Der Versuch am Damenflügel aktiv zu werden war dann vielleicht nicht ganz der beste Plan, schnell geriet Emilians König unter starken Beschuss und musste die Flucht antreten. Die Stellung wurde ultrascharf, Emilian hatte einen Bauern weniger, eine etwas luftige Königsstellung und Türme, die noch nicht so recht wirkten. Dafür hatte er das Läuferpaar und einen Freibauern. Im Stoßen des Freibauern hätte Emilian (laut Computer) auch sein Heil suchen müssen, aber bei knapper Zeit griff er daneben und übersah ein Schach das eine ganze Figur (und die Partie) kostete.
Auf Brett 3 spielte Julian Kranzl gegen FM Pascal Neukirchner. Neukirchner spielte Katalanisch, Julian wählte eine eher ungewöhnliche, aber sehr gut spielbare, Variante. Neukirchner brachte im 15. Zug ein sehr stark aussehendes Qualitätsopfer ans Brett. Der "Blechdepp" erachtet dieses als nicht 100% korrekt, die Verteidigung war aber wie so oft schwieriger als der Angriff. Julians Gegner fand zum Glück (bei knapp werdender Zeit) auch nicht die stärksten Fortsetzungen, Julian blieb eine Figur mehr für zwei Bauern (und unglücklicher Koordination). Julian wickelte in ein Schwerfigurenendspiel mit Qualität für mehrere Bauern ab. Neukirchner suchte sein Heil weiter in Angriff, übersah dabei aber, dass sein eigener König auch luftig stand - Julian nützte dies aus und fuhr den vollen Punkt ein.
Fabian Ferster spielte gegen Benjamin Rücker eine Partie wie aus einem Guss. Der Liechtensteiner kontrollierte bei seinem Westligadebüt das Zentrum, zusätzlich hatte sein Gegner einen schwachen rückständigen Bauern auf d6. Dieser Bauer fiel und Rücker hatte nichts dafür vorzuweisen - die weißen Schwerfiguren kontrollierten weiterhin die Partie. Fabian wickelte geschickt in ein gewonnenes Damenendspiel ab, das er souverän nach Hause brachte.
Olga Kurapova hatte es auf Brett 5 mit dem Schwarzacher Kapitän Juro Ljubic zu tun. Olga schien im schottischen Vierspringerspiel schon ausgeglichen zu haben, da versuchte sie unnötig eine weitere Figur abzutauschen anstatt den eigenen König erst in Sicherheit zu bringen. Dies kostete sie einen Bauern. Ihr gelang es dabei aber direkt in ein Turmenendspiel abzuwickeln und da diese eine nicht zu kleine Remistendenz haben, schien die Partie noch nicht entschieden. Und es taten sich die erhofften Möglichkeiten auf. Leider ließ Olga beide Chancen verstreichen und musste nach 61 Zügen ihrem Gegner die Hand zur Aufgabe reichen.
Am letzten Brett saß ein weiterer Debütant: Stefan Greussing. Er hatte es mit Norbert Stöckl zu tun. Greussing spielte gegen Stöckls Gründfeldinder 5. Ld2 und erreichte eine Stellung mit gewissem Raumvorteil - wobei Schwarz auch seine Trümpfe hatte (vor allem in einem wichtigen "Hebel"). Nachdem dieser Hebel ans Brett kam hieß es Ruhe zu bewahren für Stefan. Dies ist aber für den Computer oft viel leichter als den Menschen. So versuchte Stefan die Situation im Zentrum zu klären, leider nachteilhaft für ihn. Schwarz hatte Druck auf der halboffenen g-Linie, zusätzlich bedeutete ein Freibauer auf e4 Vorteil in etwaigen Endspielen. Die weiße Stellung war nicht mehr zu halten, erst fiel eine Qualität und nach der geschafften Zeitkontrolle der weiße König.
Der Endstand hieß 2-4, mit Spielglück wäre vielleicht sogar ein 3-3 möglich gewesen, aber 2-4 war wohl ein gerechtes Endresultat.
Am Samtag hieß der Gegner Absam. Die Hoffnungen auf zählbare Resultate waren gering - einerseits waren die Tiroler nominell etwas stärker als Schwarzach am Tag zuvor, andererseits wurde das Spitzenbrett FM Fabian Matt vom 14-jährigen Debütanten Nicolas Wohlgenannt ersetzt.
Am ersten Brett hatte es Emilian Hofer mit IM Darko Doric zu tun. Wie tags zuvor sah sich Emilian mit Najdorf konfrontiert. Doric wählte jedoch eine deutlich häufigere Variante als Brumen. Der Kroate übernahm relativ schnell die Kontrolle über die Partie, Emilian konnte aber einstweilen das Gleichgewicht halbwegs aufrecht erhalten. Doric fand eine taktische Möglichkeit die Emilian vor gröbere Probleme stellte. Emilian entschied sich zu einem Bluff - ein Figurenopfer. Doric glaubte seinem Gegner (zu Unrecht) und Emilian war wieder in der Partie (er hatte nun eine Qualität für drei Bauern). In Zeitnot öffnete Emilian seinem Gegner nochmals eine Chance, die dieser verstreichen ließ. Nach der Zeitkontrolle war Doric gezwungen die Züge zu wiederholen.
Julian Kranzl hatte auf Brett 2 ebenfalls einen kroatischen IM als Gegner - Sven Tica. Auch hier wiederholte sich die Eröffnung von Freitag - Katalanisch. Julian war nicht gewillt sich passiv zu verteidigen, er schob früh die Bauern vor seinem König nach vor. Dies sollte sich rächen. Nachdem Julian keinen anderen Weg sah seinen Damenläufer zu entwickeln, schwächte er seinen Damenflügel. Julians Hoffnung lag in Gegenspiel auf der halboffenen g-Linie vor dem weißen König. Der Angriff verpuffte aber und der schwarze Damenflügel krachte zusammen. Nach einem weiteren Bauernverlust (kombiniert mit Königsproblemen), gab Julian auf.
Fabian Ferster spielte auf Brett 3 gegen IM Oliver Lehner. Nach der Eröffnung (Réti) hatte Fabian eine gut spielbare Stellung. Lehner schaffte es aber Fabians Springer auf g2 völlig zu isolieren und in die weiße Stellung einzudringen. Nach dem 40. Zug lag die weiße Stellung in Trümmern, Fabian entschied sich aufzugeben.
Auf 4 hatte es Olga Kurapova mit FM Ludwig Deglmann zu tun. Olga stand zwar nach der Eröffnung schlechter, der Vorteil war aber nicht so ganz greifbar - zu unklar schienen am Brett die direkten Möglichkeiten. Deglmann investierte viel Zeit und spielte zu zaghaft weiter. Olga bestrafte dies und riss das Steuer an sich. Olga hätte die Partie vielleicht schon früher für sich entscheiden können, das entstandene Endspiel mit gesundem Mehrbauern schien aber gut genug zu sein. Leider übersah Olga einen unangenehmen Springerzug der den Mehrbauern kostete und die Partie schließlich in ausgeglichene Fahrwasser leitete. Ein Remis war das logische Resultat.
Stefan Greussing spielte auf Brett 5 gegen FM Klaus De Francesco. Stefans Strategie kein Risiko und gesund abtauschen was geht schien völlig aufzugehen. Nach 27 Zügen war ein Springer + Läufer Endspiel entstanden, in dem keine Seite irgendeine Gewinnchance zu haben schien. Nach 20 Zügen hin und her stellte Stefan leider einen Bauern ein, das Endspiel schien entschieden. Völlig unverhofft ergab sich für Stefan die Chance seinen Läufer für die letzten schwarzen Bauern herzugeben (mit blankem Springer hätte De Francesco nicht Matt setzen können). Leider hatte Stefan die Partie schon abgeschrieben gehabt und diese Möglichkeit verpasst.
Der Spieler des Tages war der 14-jährige Debütant Nicolas Wohlgenannt. Ihm gegenüber saß Routinier MK Christian Hengl. Hengl versuchte seinen jungen Gegner zu überrumpeln und ging aus der Eröffnung direkt in den Angriff über. Nicolas blieb aber ruhig und nach dem Damentausch waren mehrere Bauern von Hengl unter Beschuss. Hengl suchte weiterhin sein Heil im Angriff, Nicolas verteidigte souverän und hatte zwei Bauern mehr. Weiß hatte zwei Springer und Turm im Angriff gegen Nicolas König, dieser König tanzte jedoch durch die eigenen Bauernreihen durch in Richtung andere Bretthälfte. Selbst ein Qualitätseinsteller von Nicolas änderte am Ergebnis nichts - zu massiv war die schwarze Bauernlawine. Im 70. Zug wandelte Nicolas einen Bauern zu Dame um - der nächste wäre wohl gefolgt. Hengl ließ sich dies nicht mehr zeigen und gab auf.
Wiederum stand am Schluss ein 2-4 auf dem Ergebniszettel, ein 3-3 wäre aber mehr als nur möglich gewesen. Trotzdem kann auf Grund der Eloerwartung - man war 200 bis 400 Elo Außenseiter pro Brett - das Ergebnis als Erfolg angesehen werden.
Zum Abschluss ging es gegen Meister Zillertal. Die Voraussetzungen waren ähnlich wie am Vortag oder sogar noch extremer: Zillertal mit drei Großmeistern, einem internationalen Meister und einem FIDE Meister, Hohenems ohne internationale Titelträger und 300 - 400 Elo Außenseiter pro Brett.
Julian Kranzl rückte aufs Spitzenbrett auf und bekam es mit dem tschechischen Großmeister Peter Michalik zu tun. Nach zwei mal Katalanisch kam dieses Mal bei Julian Bogo-Indisch ans Brett. Julian scheute wie üblich keine Komplikationen wodurch lange beidseitig gleiche Chancen vorhanden waren. Um Zug 30 herum - Michaliks Zeit wurde langsam knapp - wurde es dann taktisch. Julian behielt den Überblick wodurch der GM im 37. Zug Remis bot. Julian entschied sich nach längerem Überlegen weiterzuspielen und opferte eine Figur. Das Opfer war insofern korrekt, dass Julian danach in ein Endspiel Turm gegen Turm + Läufer (ohne gegnerische Bauern) abwickeln hätte können - ein schwieriges Endspiel, das zwar theoretisch Remis ist, es aber selbst im Großmeisterbereich oft zu entschiedenen Partien kommt. Julian ließ diese Möglichkeit aus und musste, nachdem Michalik die genauesten Züge fand, schließlich aufgeben. Den Mutigen gehört bekannterweise die Welt, Julian wurde aber für seinen Mut dieses Mal bestraft.
Fabian Ferster spielte auf zwei gegen GM Jan Votava (ebenfalls Tschechien). Fabian war in dieser Partie wieder völlig auf der Höhe. Er hatte eine solide Stellung aus der Eröffnung heraus (dieses Mal Englisch), und als Votava das Risiko erhöhte behielt Fabian einen kühlen Kopf und konnte beide gegnerischen Türme zugleich angreifen was Votava die Qualität kostete. Der GM (der als Doppelgänger eines Vorarlberger Landesligaspieler durchgehen könnte) versuchte zwar mit seinem Läuferpaar was auszurichten, sein König stand aber zu problematisch was Fabian zu einer Abwicklung in ein komplett gewonnenes Endspiel ausnutze. Votava ließ sich dies nicht mehr zeigen.
Leon Nussbaumer gab in der letzten Runde sein Saisondebüt gegen den deutschen GM Jens-Uwe Maiwald. Leon hatte mit dem Anti-Sizilianer von Maiwald Probleme. Maiwald gelang es einen Springer mitten in der schwarzen Stellung zu fixieren, dazu machte Leon eine Fesslung Sorgen. Leon versuchte dies mittels Bauernopfer zu lösen, aber Leons Probleme wurde nicht weniger. Nach doppeltem Turmtausch schnappte sich der GM einen schwarzen Bauern nach dem anderen. Als der vierte fiel, hatte Leon genug gesehen.
Olga Kurapova traf auf Brett 4 auf IM Fabian Platzgummer. Olga zeigte sich von der Vortagspartie sichtbar motiviert und setzte Platzgummer stark unter Druck. Kurz vor der Zeitkontrolle entstand eine wilde Stellung, in der drei weiße Freibauern (von Olga) in Richtung Umwandlungsfelder zustürmten während drei schwarze Bauern auf den weißen König hin marschierten. Ein Vorarlberger FM hat so einen Stellungstyp mal als Galtürangriff bezeichnet (Bauernlawinen die unaufhaltsam dahinrollen). Leider kam Olgas Lawine ins Stocken nachdem sie einen der drei Bauern eingestellt hatte. Nach Abtausch einiger Figuren waren es dann die schwarzen Bauern, die das Rennen machten.
Auf Brett fünf spielte Stefan Greussing gegen FM Bernhard Tabernig. Stefan war auf Stabilität aus, tauschte aus der Slawischen Verteidigung in eine sogenannte Karlsbader Struktur ab. Weiß hatte zwar einen dauerhaften Vorteil, dieser war aber von überschaubarem Ausmaß. Stefan verteidigte sich geschickt und ging in den korrekten Momenten auf Gegenangriff auf die weißen Bauern über. Die Folge war ein Turmendspiel mit f-Bauern, bei der Stefan die bekannte Philidor-Stellung (Weiß: Kg5, Tb7, Bf4, Schwarz: Kf8, Ta6) erreichte und diese souverän verteidigte. Tabernig probierte noch 20 Züge herum, musste jedoch einsehen, dass die Stellung gegen Stefan nicht zu gewinnen war.
Am letzten Brett legte Nicolas Wohlgenannt nach seinem sensationellen Debüt nach und holte gegen Josef Schiestl ein sicheres Remis. Nicolas wählte gegen Schiestls Paulsen-Sizilianer einen Maroczy-Aufbau, was Schiestl zwischenzeitlich in eine Igelstruktur zwang. Schiestl konnte schließlich die Stellung mit d5 sprengen. Er stand danach vielleicht auch leicht angenehmer, aber ein möglicher Sieg war meilenweit entfernt sodass er seinem jugendlichen Gegner Remis bot, was dieser annahm.
Wie an den Tagen zuvor hieß das Endresultat 2-4 und wieder war ein oder sogar mehrere Mannschaftspunkte gegen eine nominell viel stärkere Mannschaft in Griffweite.
Es schauten schlussendlich keine Mannschaftspunkte heraus, aber auf Grund der Eloerwartung sind die Ergebnisse mehr als nur in Ordnung. Es konnte mehr oder weniger jeder Emser bis zu einem gewissen Grad zufrieden sein, alle spielten gut mit und hatten ihre Chancen. Besonders zu erwähnen wären Fabian Ferster mit 2 aus 3 gegen einen Gegnerschnitt von fast 2400 Elo und Nicolas Wohlgenannt Debüt mit 1.5 aus 2 gegen einen Schnitt von 2100 Elo.
In der Endtabelle belegt Hohenems 2 mit 12 Mannschafts- und 36.5 Brettpunkten Rang 5. Auf Grund des Abstiegs von Hohenems 1 ist die Mannschaft aber Zwangsabsteiger. Der Meistertitel geht - wie schon erwähnt - an Zillertal, die in der ganzen Saison nur einen Mannschaftspunkt abgegeben haben. Einziger Absteiger ist Pradl-Innsbruck. Dornbirn läge auch auf einem Abstiegsrang, steigt jedoch direkt aus der Landesliga wieder auf.
Detailergebnisse, Tabelle und Partien:
https://chess-results.com/tnr654709.aspx?lan=0&art=0