Milan Novkovic, hier bei seiner Partie gegen GM Ilja Balinov (Styria Graz) war diesmal die Hohenemser Trumph-As die stach und ganz wesentlich zu einem ausgeglichenen Punktekonto beitrug. Von allem etwas war diesmal dabei, der Ausflug nach Graz glich einer Achterbahnfahrt: dem 3:3 Unentschieden gegen den regierenden Meister Styria Graz folgte tags darauf die Ernüchterung, 2:4 gegen Klagenfurt. Wiedergutmachung war dann mit dem 4:2 Sieg gegen Aufsteiger Leoben in der Sonntagsrunde angesagt.
Die Anreise über eine schon Anfang November verschneite Winterlandschaft liess uns die darin versteckte Botschaft irgendwie erahnen. Eine Stimme aus den Bergen wollte uns wohl sagen: "Leute, diesmal heißt es sich besonders dick anzuziehen, die 12. Bundesligasaison könnte ansonsten von Anfang an zu einer Zitterpartie werden." Die ersten drei Runden bestätigten es dann: die mahnende Stimme hatte recht.
Ganze drei von zwölf Teams wagten es, weniger als die maximal drei erlaubten Legionäre einzusetzen. Auch Hohenems besaß diesmal die Verwegenheit, diesen tollkühnen Versuch zu wagen. Fazit: es ging gerade noch einmal gut, Rang 9 nach 3 Runden und das mit einem ausgeglichenen Punktekonto. Leoben, ebenfalls mit 4 Österreichern in ihren Reihen und Tschaturanga Neubau mit gar fünfen wurden hingegen gnadenlos abgestraft: die beiden Mannschaften liegen bereits abgeschlagen am Tabellenende.
Der Auftakt gegen eine in Bestbesetzung angetretene Styria verlief vom Ergebnis her eigentlich nach Wunsch. Bei genauerer Betrachtung der Partieverläufe wäre jedoch sogar ein knapper Sieg möglich gewesen, Heinz Grabher spielte über weite Strecken eine ausgezeichnete Partie gegen Georg Danner. Lediglich eine kleine Unkonzentriertheit in der sechsten Spielstunde, als die Kräfte schon nachließen kostete die Partie. Milan Novkovic sorgte jedoch mit seiner Gewinnpartie gegen GM Balinov für das Mannschaftsunentschieden. Jan Gustafsson, David Baramidze und Valery Atlas erzielten jeweils mühlos Remis, Guntram Gärtner mußte hingegen gegen Herren-Staatsmeister Eva Moser hart darum kämpfen.
Gegen Klagenfurt sollte die Aufgabe eine Spur einfacher sein, die Ausgangslage war ungefähr gleich. Der Wettkampf verlief jedoch nicht nach unserem Geschmack. Der Klagenfurter Csaba Horvath liess David Baramidze mit seinem Grünfeld-Inder richtiggehend auflaufen. Schon früh geriet unser Brett 2 in große Schwierigkeiten. David wehrte sich zwar nach Kräften, doch letztlich vergebens. Unser Erkältungsopfer Guntram Gärtner spielte wieder gegen Moser, diesmal gegen Günter Moser. Guntam hielt dem konzentrierten Gegenangriff des Klagenfurters flankiert von einem massiven Viren und Bakterienaufgebot nicht stand. Günter Moser beendete die Partie mit einem klassischen taktischen Einschlag. Günters Turm durfte sich ungestraft einen weissen Springer einverleiben, da bei Wiedernehmen Matt auf dem Fuße gefolgt wäre. Frühe Remis auf den Brettern 1 und 3 ließen uns praktisch keine Chancen mehr, den Wettkampf nochmals zu drehen. Heinz Grabher mußte sogar ganz genaue Endspieltechnik demonstieren, um die Partie überhaupt zu halten. Lediglich bei Milan Novkovic schien es eine zeitlang, dass er Herwig Pilaj bezwingen könnte. Ein zu früher Damentausch ließ dann aber keine Gewinnversuche mehr zu, im Gegenteil, Milan mußte sogar noch rechtzeitig die Notbremse ziehen.
Am Sonntag stand die Mannschaft dann schon unter großem Druck. Mit Leoben war zwar eine nominell schwächere doch alles andere als einfach zu spielende Mannschaft zu bekämpfen. Alle wußten, wenn der nötige Pflichtsieg nicht gelingen sollte, dann würde man die Heimfahrt höchstwahscheinlich auf einem Abstiegsplatz antreten müssen. Entsprechend kompromisslos wurde gespielt. Jan Gustafsson bemühte sich zwar mit Schwarz redlich, gegen die Betonvariante seines ungarischen Gegners Bokros war allerdings kein Durchkommen. Das dritte Remis an diesem Wochenende war damit für Gusti perfekt. Auch David Baramidze erreichte eine sehr statische Position, in der nicht weiter auf Vorteil gespielt werden konnte. Der immer noch von der Erkältung geschwächte Guntram Gärtner war über das frühe Remisangbot des Leobener Neo-Nationalspielers Robert Kreisl heilfroh und akzeptierte sofort. Übrig blieben drei Partien bei denen es aber so richtig zur Sache ging. Als erstes verwertete Milan Novkovic seine überlegene Stellung gegen Wolfgang Schade, den - äußert ungewöhnlich in der 1. Bundesliga - auch der "Vitanminstoß" eines kühlen Blonden in der letzten Partiephase nicht mehr aus seiner mehr als schwierigen Lage befreien konnte.
Ein wahres Drama spielte sich in der Partie Reinhard Bachler gegen Valery Atlas ab. Der Leobener packte zunächst die seltene Bird-Eröffnung aus, spielte dann über weite Strecken eine außerordentlich starke Partie, in der es zwar kein Durchkommen gab, aber auch Schwarz ohne Opfer kein Gegenspiel erlangen konnte. Entsprechend lange wurde laviert, bevor Valery unter großem Risiko mit Bauernopfern die Stellung zunächst am Damenflügel und später am Königsflügel aufbrach. Man näherte sich 90 Zügen und der sechsten Stunde als die Partie kulminierte. Über allem schwebte das Damoklesschwert der Abfahrt des letztes Zuges ins ferne Vorarlberg um 16.35 Uhr ab Graz. Der erste Teil der Reisegruppe verließ das Hotel Novapark um 16.15 Uhr mit besorgten Minen, der scheinbar vielversprechende Durchbruch von Valery wurde ausgezeichnet gekontert, plötzlich brannte der Hut von Schwarz lichterloh und weiter war kein Ende der Partie abzusehen. Nach Graz Hauptbahnhof war es bereits zu spät, Bachler - Atlas war die letzte noch laufende Partie mit ca. zwanzig staunenden Zusehern im Turniersaal und sicherlich einem Vielfachen davon zu Hause vor den Computerschirmen. Mittlerweile brach der ebenfalls noch zurückgebliebene Milan Novkovic alleine auf nach Leoben, um sich dort der bereits auf der Rückreise befindlichen Reisegruppe anzuschließen. Valery mit nur mehr 1-2 Minuten spielte verzweifelt ein Endspiel Läufer gegen Turm mit jeweils zwei Bauern. Valerys letzter Trumpf, der Bauer auf g2 mußte vom weissen Turm an der Umwandlung gehindert werden. 16.45 Uhr, der Zug nach Vorarlberg hatte Graz bereits vor 10 Minuten verlassen, Milan befindet sich im Taxi ebenfalls seit 10 Minuten unterwegs nach Leoben um den Zug noch einzuholen. Reinhard Bachler hatte die ganze Partie hindurch zügig gespielt und meist einen Zeitvorsprung von ca. 20 Minuten. Dieser Vorsprung ist nun dahin, beide Spieler haben weniger als drei Minuten, hundert Züge sind längst gespielt. Das Endspiel ist für den Leobener vermutlich gewonnen, doch dann läuft der weisse a-Bauer zu früh zur Dame und wird sofort eliminiert, die Leobener Minen verfinstern sich, diejenige des Hohenemser Coaches erhellt sich entsprechend, trotz der Aussicht nicht vor Montag früh in Feldkirch anzukommen. 16.50: die Partie ist aus, nur noch ein weisser Bauer ist übrig geblieben, gegen den sich der schwarze Läufer aber gerne opfern wird.
Wer geglaubt hatte, das wars jetzt, sieht sich gewaltig getäuscht, obwohl schon lange abgeschafft, nun sollte eine "Hängepartie" folgen, nicht minder dramatisch. Aus reiner Intuition packt der Coach den letzten verblieben Spieler - das Gepäck war zuvor schon in das wartende Taxi verfrachtet worden und stürmt mit ihm zusammen vors Hotel ins Taxi: "Abfahrt, schnell, Richtung Leoben". Planabfahrt in Leoben 17.20 Uhr, die verbleibenden gut 25 Minuten sollten nie und nimmer reichen, trotzdem die Hoffnung stirbt zuletzt. Wenns gut geht, sagte uns der Fahrer des anderen Taxis schon, braucht's 35-40 Minuten bis Leoben Hauptbahnhof.
Na ja, unser Fahrer - sichtlich erfahrener als der Milans, meint, in 30 Minuten könnte man es auch schaffen, besser wäre es jedoch, noch eine Station weiter zu fahren, nach St. Michael. "Hält denn der Zug dort ?" Zwischen den Reisenden und uns wurde ohnehin schon fieberhaft hin- und hertelefoniert. Die Gruppe im Zug weiss inzwischen, dass Milan versuchen wird in Leoben zuzusteigen, der Schaffner wurde "instruiert" den Zug notfalls 1-2 Minuten später abfahren zu lassen. Ein weiterer Anruf im Zug gibt die Gewissheit, ja der Zug hält in St. Michael. Eigentlich standen wir wie in Valerys Parite zuvor schon "auf Verlust", plötzlich sehen wir doch wieder Chancen, die "Partie" zu retten. Fahrer und Fahrgäste sind sich einig, das muß zu schaffen sein, Abfahrt in St. Michael 17.29 Uhr. Wir fahren in den Gleinalmtunnel ein - 9 km langsames Kolonnenfahren ist angesagt, eine Geduldsprobe, der vor uns fährt 80 km/h und kein bischen schneller. Das Tunnelende ist erreicht, das Schild St. Michael taucht auf, nur noch 3 km und es ist 17.22 Uhr, hurra! Dann kommt die Autobahnausfahrt und..... jähes Entsetzen. gesperrt !!!!! Das darf doch nicht wahr sein, es ist zum aus der Haut fahren. Der Fahrer fährt weiter, kurz dannach geht es zur Autoverladestation - nach St. Michael gibt es irgendwo einen Schleichweg, wir stehen plötzlich an einer Weggabelung im Dunkeln, kein Schild weit und breit, es ist 17.24 Uhr. Der Fahrer erkundigt sich bei einem anderen Lenker, der versteht auch nur Bahnhof. Wir fahren rechts ab, das wird schon passen, meint unser Fahrer. Nach zwei, drei weiteren Kurven sind wir in St. Michael und schon sehen wir das Hinweisschild Bahnhof, scharf abgebogen und wir stehen tatsächlich vor ihm, um 17.27 Uhr ! Mit Mühe kratzen Valery und Coach Reinhard Kuntner gemeinsam den Fahrpreis von ? 60 zusammen und ab geht's auf den Bahnsteig. "Da steht er schon", ruft der Fahrer noch nach, doch nein, es ist der Zug in die Gegenrichtung. Wir haben sogar noch Zeit, vorschriftsmässig die Unterführung zu benutzen und sind sage und schreibe 1 Minute zu früh am Bahnsteig, wozu der ganze Stress blos, fragen wir uns.
Der Zug fährt ein, gesteckt voll. Wir kämpfen uns durch mehrere Waggons um unsere Leute zu suchen, die nicht mehr mit uns rechnen, in einem letzten Telefonat haben wir sie über die Sperre der Autobahnausfahrt informiert. Milan, das wußten wir inzwischen auch, hat den Zug in Leoben ebenfalls erwischt. Da sind sie, die Reisegruppe ist wieder komplett ! Erste Frage: "wie wars bei Dir Milan?" Der unerfahrene Fahrer hatte sich in Leoben mehrmals verfahren aber es doch noch geschafft, Milan um 17.19 Uhr, eine Minute vor Abfahrt des Zuges dort abzuladen. Der Zug fuhr pünktlich um 17.20 Uhr in Richtung St. Michael, mit Milan an Board.
Na ja, die Klappe war mehrmals scharf gespannt, zuerst in Valerys Partie und dann in Leoben und nocheinmal in St. Michael, aber im großen und ganzen hatten wir doch alles sicher im Griff. Das war wieder Bundesliga live ! Ja sie hat uns wieder, der erste Akt ist zu Ende. Der Vorhang öffnet sich wieder zu den Runden 4 bis 7 vom 18. - 21. Jänner 2007 in ..... ja klar, in Leoben ! Abfahrt 17.20 Uhr, da müssen wir in keinem Fahrplan mehr nachsehen. Das sind gegenüber Graz zusätzlich 45 Minuten Spielzeit. Beruhigend zu wissen: gut 7-stündige Partien mit bis zu 150 Zügen sind am Sonntag ohne weiteres möglich.
Ergebnisse und Partien: Chess Results