Die Spiele können beginnen. Milan Novkovic wird die nächsten zwei Wochen aus Tromso berichten. Er betreut bei dieser Olympiade das Team Liechtensteins, wir sind gespannt, wie sich Renato Frick und Kollegen schlagen werden. Milan ist zusammen mit Julia nach Nordnorwegen gereist. Wir sind ebenso gespannt, ob das österreichische Damenteam die guten Leistungen von der Olympiade 2012 in Istanbul bestätigen kann. Georg Fröwis hat es diesmal knapp nicht ins Österreichische Herrenaufgebot geschafft. Markus Ragger, David Shengelia, Peter Schreiner, Robert Kreisl und Andreas Diermair peilen wie das Damenteam einen Platz unter den ersten dreissig an. Ein schwieriges Vorhaben. Aus Hohenemser Sicht besonders interessant sind natürlich die Partien von David Baramidze, der für Deutschland an den Start geht und Ed Rozentalis, der für das Litauische Team spielt. Auf chess24.com wird unser Ex-Kollege Jan Gustafsson als Kommentator zu hören und zu sehen sein.

 

Schacholympiade Tromso 2014                                  Milans Bilder                          Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

 

Tag 1 – Freitag 1. August – Anreise

 

 

Um 5 Uhr morgens ging es schon für Julia und mich los – um den Flug Zürich–Oslo mit dem Start um 6:55 zu erreichen. Erwartungsgemäss treffen wir die Kollegen aus Liechtenstein und der Schweiz, beim Weiterflug Oslo-Tromsö gesellen sich noch viele Schachspieler – unter der Prominenz auch der Ex-Trainer von Magnus Carlsen und Ex-Fussbaler der norwegischen Nationalmannschaft, GM Simen Agdestein. Für uns ist die Zwischenstation Oslo nur der halbe Weg nach Tromsö – in dem schier endlos süd-nord-gezogenen Norwegen. Leider „verlieren“ wir in Oslo einen Spieler – Renato Frick und seine Partnerin Esther bekommen ihr Gepäck nicht retour und müssen einen späteren Flug nach Tromsö in Kauf nehmen.

 

Als wir im Hotel Thon, unweit der Uferpromenade, ankommen, erfahren wir von der serbischen Mannschaft, dass sie der gleiche Schicksal ereilt hat – sie reisten bereits am Vortag an um sich etwas zu akklimatisieren, ihre Koffer „verschwanden“ aber irgendwo zwischen Berlin und Oslo.

 

Noch schlimmer erwischte es die slowakische lebende Schachlegende (unvergesslich seine „immergrüne“ gegen Polugaevsky in Luzern 1982) und langjährigen ChessBase-Mitarbeiter GM Lubomil Ftacnik. Er hatte zwar sein Gepäck zurückbekommen, ließ aber durch Übermüdung seinen Tablet, samt allen Analysen und Varianten, auf dem Flughafen Stockholm liegen.

 

Am Flughafen Tromsö wartete die charmante Hostesse Karin, eine norddeutsche Studentin, auf uns und wies uns den Weg zu unserem Hotel Thon und Akkreditierungshalle im Hotel Radisson Blue. Karin studiert seit 1,5 Jahren in Tromsö Fisch-Biologie und voluntiert nun in den Sommerferien bei der Olympiade. Sie hat uns auch erklärt, warum die vielen Studentenunterkünfte an die Schachspieler und Kiebitze nicht vermitet werden konnten – die Vorlesungen beginnen an der Uni Tromsö schon nächste Woche und die Studenten ziehen nun wieder ein.

In der Stadt angekommen, werden wir zunächst von der angenehmen arktischen Sonne (vor zwei Wochen war ich noch in der equatornahen Industriemetropole Shenzhen in China)  und lautem Möwenschreien begrüsst. Die eleganten großen Vögel scheinen sich weniger um Nahrung zu kümmern und stürzen sich unbeschwert in die abenteuerlichen freien Fälle – man denkt unweigerlich an den Möwen Jonathan Livingston von Richard Bach.

Die Themen Unterkunft und Essen sind logischerweise die herrschenden im Moment. Bei den Zimmern ist vor allem die ultimativ optimale Raumnützung unübersehbar – diejenigen die in Doppelzimmern untergebracht sind werden sich in den nächsten zwei Wochen vorsichtig bewegen müssen um die dicht gedrängte Möbelstücke oder den Zimmergenossen nicht umzustossen.

Das Essen ist anderseits üppig und schmackhaft – das endlose Buffet glänzt unter anderem mit dem lokalen Lachs und würzigem Renntierschinken.

Die Distanzen sind kurz in Tromsö-Stadtzentrum – in gemütlichem Spaziergang erreicht man Hotels, Spiellokal, Hurtigruten-Hafen und das Spiellokal in der ehemaligen Brauerei Mack. Wenn man Glück hat und in einem der zentralen Hotels untergebracht ist. Wenn man Pech hat, dann wohnt man in den simplen Häusern am Zeltplatz oder in kilometerentfernten Ortschaften und auf die Bussfahrten angewiesen ist.

Die altehrwürdige Brauerei Mack ist immer noch mit der Bier-Fertigung und sympatischem Bierlokal in Tromsö tätig. Die alte Fertigung- und Lagerhalle wurde aber nun (als gebranntes Kind vermute ich hier die „Restrukturierung- und Optimierungsmassnahmen“) den Schachspielern überlassen. Noch sind die Handwerker mit letzten Griffen und Schrauben dran – bis morgen Samstag wird wohl alles bereit sein. Der Saal ist geräumig, die Räume hoch und gut beleuchtet und durchlüftet. Die Spielbedingungen werden vermutlich optimal sein.

Am Nachmittag in der Akkreditierungshalle sieht man in ungezwungener Atmosphäre die ganze Schachelite: die Legenden Karpov und Kasparov mit ihren attraktiven Partnerinnen, der Weltmeister Carlsen mit Freunden nach dem Fussbaltraining, der ständig gut aufgelegte Aronian begrüsst Freunde und Fans…

Appropos Kasparov  - überall in der Staat strahlt uns sein Gesicht entgegen: Von den Hotelfassaden, Bussstationen und Schaufenstern. Der Ex-Weltmeister kämfpft mit einer umfassenden Kampagne gegen den FIDE-Präsident Ilyumzhinov bei den bevorstehenden Wahlen. Sein Kontrahent Kirsan Nikolajewitsch, seit 1995 an der Spitze der FIDE, setzt zum wiederholten Male auf die stille Diplomatie. Sein Wahlkampf im Jahre 2006 gegen den niederländischen Businessman Bessel Kok ist legendär – während Kok mit einer wegweisenden Multimedia Präsentation punktete, gab sich Ilyumzhinov mit einer schlichten kurzen Rede zufrieden – und gewann haushoch. Auch im Jahre 2010 verlor Ex-Weltmeister Karpov deutlich – ob es Kasparov „the future of chess“ doch diesmal schafft?

Die abendliche Eröffnungszeremonie glänzte durch Herzlichkeit, angeführt durch den charmanten Tromsöer Bürgeremeister Hjorth, und Pünktlichkeit. Da die gesamte Zeremonie in norwegischem Fernsehen übertragen wurde, fing man exakt um 19:30 an und endete nach knapp 60 Minuten.

Die Herzen der Zuschauer eroberte die Samen-Sängerin Inger Biret Gaup mit guturallen melancholischem Joiks-Gesang. Im Hintergrund liefen die Aufnahmen der Nordlichter und man fühlte sich in eine mystische Welt versetzt.

Die Sympathien gewann Carlsen in einem kurzen Dialog mit dem Bürgermeister – er bezeichnete sich als „lonely wolf“, der aber diesmal mit seinen Mannschaftskollegen jedem Gegner „real fight“ liefern will. Und tatsächlich, wenn er auf dem Spitzenbrett zur Normalform aufläuft und seine Kollegen „hinten“ die Schoten dicht halten, können die Vikinger weit vorne landen.

Ein besonderer Höhepunkt war der Schnelldurchlauf der Nationen – nach dem Bildschirmaufruf standen (die Südländer sprangen…) die Vertreter auf und jubellten mehr oder weniger laut.

Nach der Eröffnung gönnten wir uns mit den Liechtensteiner eine Runde in einem sympatischen Lokal – keine Selbstversändlichkeit bei einem Preis von ca. 10€ pro Getränk. Die Sonne ging allmählich immer tiefer Richtung Westen, weigerte sich aber stur zu verschwinden und leuchtete nach 23 Uhr immer noch wunderschön. Trotz des frühen Aufstehens und prall gefüllten Tages, dachte niemand ans Schlafen - erst kurz nach Mitternacht erwischte mich der Schlaf. Als ich am nächsten Morgen durch die Helligkeit, die durch die zugezogenen Vorhänge drang, voller Tatendrang und Frische aufwachte, freute ich mich auf die kommende erste Runde und die vielen Dramen, die sich wie immer bei Schachgroßereignissen, abspielen werden. Die gespenstische Stille machte mich aber stutzig und ich warf einen Blick auf die Uhr – kurz nach vier! Ein erneuter Schlafversuch scheiterte kläglich, somit konnte ich diesen Bericht vor dem Frühstück verfassen. Wie lange werde ich wohl in dem 4-Stunden-Schlafmodus aushalten? Bin sehr froh, dass ich heute Nachmittag nicht spielen muss – zum sehen und erleben wird es wohl genug geben…

Splitter

die österreicher setzen auf mischung zwischen erfahrung (ragger, shengelia, kreisl) und dem frischen wind in der mannschaft (schreiner und diermair)…

die schweizer verjüngen mit dem starken nico georgiadis und die deutschen verstärken mit nisipeanu. der ex-hohenemser gustafsson stellt diesmal seine schachexpertise und einfallsreichtum als offizieller kommentator unter beweis…

nakamura ist anscheinend „lost in translation“ - wird mit großer verspätung eintreffen…

der junge kroate brkic blieb, nach mehreren schwachen leistungen in der nationalmannschaft, zu hause – die oldies kozul, palac und zelcic spielen hinter den shootingstars saric und stevic…

die serben und australier hingegen setzen auf die jugend – aleksandar indjic (19 jahre, elo 2539) und anton smirnov (13, 2334) sind elo-technisch nicht unter den ersten fünf in ihren ländern – die erwartungen sind aber hoch…

dusko pavasovic – nominell die nummer 4 in slowenien - gibt sich mit der rolle des kapitäns zufrieden…

die südafrikaner spekulieren auf den 1. platz als beste afrikanische mannschaft (favoriten sind die ägypter) – watu kobese glänzt nach wie vor mit gestochen scharfem deutsch…

die starken und bezaubernden kosintseva-sisters sind durch einen konflikt mit der föderation/trainer diesmal nicht dabei. kateryna lagno wechselte aber vom erzrivalen ukraine (genau wir karjakin vor ein paar jahren) nach russland…

viele afrikanische mannschaften glänzen bei der eröffnung mit schicken anzügen bei den herren und eleganten outfits bei den damen – für viele ist es DAS erlebnis…

in der grossen tageszeitung „dagens naeringliv“ (einem der hauptsponseren) ist der börsenbericht mit schachsymbolen durchsät…

ivan sokolov spielt nicht für die niederlande, trainiert lieber die herren aus den arabischen emiraten…

das musical „chess“ spielt am 3-4. august in tromsö…

 

Tag 2 – Samstag 2. August – 1. Runde


„Do you know, where can I find some chess players from Bosnia or Croatia?“ wurde ich beim morgendlichen Spaziergang in der Fußgängerzone gefragt. Die Dame, in etwa meine Generation, flüchtete Anfang der 90er aus dem belagerten Sarajevo, zunächst nach Wien dann nach Tromsö. Sie freute sich gleich beim ersten Versuch auf einen Landsmann (der zwar in Österreich lebt und Liechtensteiner trainiert) zu treffen und wir tranken gemütlich einen Kaffee gemeinsam. Am Nachmittag kam sie, wie viele Einheimische auch, in das Spiellokal und bewunderte die magische Schachatmosphäre mit Spielern aus der ganzen Welt. Ab ca. 14:20 bildete sich ein Riesenstau vor den Eingangskontrolle – Flughafenatmosphäre herrschte, wobei das Augenmerk mehr an den gefährlichen Smartphones mit installierten Engines, als an den Gurten oder vermeintlichen Sprengmitteln in den Schuhen lag.

Kurz nach 15 Uhr waren dann alle Akteure im Spiellokal, Fernsehkameras und praktisch alle Zuschauer versammelten sich bei den ersten norwegischen Mannschaften. Sowohl Herren als auch die Damen der Gastgeber spielen in dem VIP-Bereich  mit Drehsesseln und Einzeltischen. Aber auch alle anderen Spieler, bis zu den letzten Brettern bekommen ideale Spielbedingungen – gute Luft bei minimaler Klimaanlage, klare Beleuchtung und genügend Platz. Freie warme und kalte Getränke sind auch eine Selbstverständlichkeit.

Das Starterfeld wurde nicht, wie von vielen erwartet, geviertelt sondern halbiert. Dadurch war der Spielstärkenunterschied deutlich und die Favoriten wurden auch ihrer Rolle großteils gerecht. Dabei verzichteten sogar viele Teams auf ihre Spitzenbretter und schonten die Stars für die kommenden Herausforderungen.

Österreich, Schweiz und Deutschland lieferten einen perfekten Start mit 24:0. Da und dort gab es kleine Unsicherheiten, schließlich aber setzten sich alle durch. Auch die beiden Hohenemser GM Eduardas Rozentalis für Litauen und GM David Baramidze gewannen souverän. „Meine“ Liechtensteiner lieferten einen starken Wettkampf gegen vier argentinische GMs mit dem 2550 Schnitt. Zwar bekamen Mario Kobler und Renato Frick keine Chance mit Schwarz, aber die beiden Weißspieler stürmten wie vereinbart nach vorne. Und diese Strategie schien zu fruchten – Fabian Ferster bekam eine Riesenstellung und der Gegner von Marcel Mannhart ließ unter Druck seine Bedenkzeit gnadenlos auf einzelne Sekunden ablaufen. Fabian ließ sich leider auf eine falsche Abwicklung ein und verlor bald komplett den Faden und die Partie. Bei Marcel lief aber alles auf ein remisliches Turmendspiel hinaus, welches er zunächst vorbildlich behandelte:

Mannhart,Marcel (2105) - Flores,Diego (2562)

41st Olympiad Open 2014 Tromso NOR (1.3), 02.08.2014

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

50.Kg4! macht den Weg auf der f-Linie frei für den Turm. Der b7-Freibauer dient nur als Ablenkung, das Hauptziel besteht in der Schwächung des schwarzen Bauernduos, damit sich der weiße Monarch zwischen den beiden ideal postieren kann.

 

50...Kc6 51.Tf1! f6 52.Tc1+?! kann. Hier hatte Marcel noch gut 4 Minuten auf der Uhr und zog diesmal etwas zu schnell. Dieser Zug verliert die Partie noch nicht, macht aber den Weg zum Remis unnötig schwer.

 

[52.Kf5! Txb7 53.Ke6 mit leichter unannehmbaren Festung]

52...Kxb7 53.Kf5 Tc8 54.Te1? und das verliert bereits. Der nun einzige schmale Weg zum Remis war 54.Tb1+! Kc7 55.Ke6 Kd8 56.Kf7! Tc7 57.Ta1 und Schwarz kann keine wesentliche Fortschritte machen. Der argentinische GM war nun wieder fest im Sattel und lässt nichts mehr anbrennen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

54...Tc5+! 55.Ke6 Kc7 Diese Pointe entging Marcel in der Vorausberechnung.

 

56.Te2 Kd8 57.Kf7 Te5 58.Td2+ Kc7 59.Kg6 Kc6 60.Td1 Td5 61.Te1 Kd6 62.Kf7 Te5 63.Td1+ Kc5 64.Kg6 f5 65.Kg5 e6 66.Kf4 Te4+ 67.Kf3 Td4 68.Ta1 Kd6 69.Ta5 e5 70.Ta6+ Kd5 71.Ta5+ Ke6 72.Ta6+ Td6 73.Ta8 Td3+ 74.Ke2 e4 0–1

 

Aber auch sonst bekamen die Außenseiter ihre Chancen  - die größte verpasste in der hochgradigen Zeitnot der japanische FM  Kojima Shinya gegen den Titelverteidiger aus Armenien.

 

 

Kojima,Shinya (2373) - Movsesian,Sergei (2672)

41st Olympiad Open 2014 Tromso NOR (1.2)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

29.Lh6+ Kf6 30.Lg5+ Kg7 [30...Ke6 31.Te8+] 31.Lh6+ Kf6 32.exd5!! Ein Ausrufezeichen für den Mut und das zweite für die Qualität des Zuges – der schwarze König zappelt im Mattnetz.

32...Kf5 33.f3 Txd5

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Und hier konnte der sympathische Japaner den sprichwörtlichen Sack mit der Abschneidung der sechsten Reihe zu machen.

34.Dg5+?! [34.Tc6  mit undeckbarem Matt mittels g4] 34...Ke6 35.Te8+ Kd6 36.Lf8+ Kc7 37.Dc1+?? [37.De7+ auch das ist leicht für einen Engine... 37...Td7 38.Db4] 37...Kb6 38.Tc8 Dd7 39.Dc4 [39.Tb8+ Ka7 40.Dc8 konnte man noch kämpfen, aber der Abwärtstrend ist in Zeitnot unaufhaltsam] 39...Dh3+ 40.Ke2 Dg2+ 0–1

Der heimische GM Lie Kjetil hielt die Anspannung durch die zahlreich erschienen lokalen und globalen Medien, sowie erwartungsvolle Fans nicht aus – er verlor gegen FM Hatim Al-Hadarani aus Jemen. Da auch Jon Ludwig Hammer über ein Remis hinaus kam, fiel der Startsieg der Norweger denkbar knapp aus – vermutlich sehen wir Magnus bereits in der zweiten Runde am Werk...

 

Al-Hadarani,Hatim (2254) - Lie,Kjetil A (2528)

41st Olympiad Open 2014 Tromso NOR (1.4)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In herannahender Zeitnot spürt der Außenseiter seine Chance und nützt die Abwesenheit der schwarzen Figuren um einen Königsangriff zu starten.

30.g4! Lxh4 31.gxh5 Th8 32.hxg6 fxg6 33.Dg4 Le7 34.Txa5 Die ersten reife Früchten fallen...

34...Tc7 35.Sf5+ Kf7

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

36.Sxd6+! Alles läuft mit Musik...

36... Lxd6 37.De6+ Kg7 38.Dxd6 Dc8 39.Dxe5+ Kf7 40.Df4+ Kg7 41.Dxc7+ simple Abwicklung in ein glatt gewonnenes Turmendspiel 1–0

Als Julia und ich vor drei Jahren Urlaub auf Mauritius machten, lernten wir den sympathischen Roy Phillips, ein Engländer mit mauritischen Wurzeln, kennen. Also blieb ich natürlich bei seiner Partie gegen den jungen Kovalyov, ein Kanadier mit ukrainischer Schachausbildung, gelegentlich stehen – ein Moment war ganz besonders.

Phillips,Roy (2272) - Kovalyov,Anton (2622)

41st Olympiad Open 2014 Tromso NOR (1.1)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Roy zog selbstbewusst 20.Sh4 mit der überdeutlichen Gabeldrohung auf g6. Der junge Kanadier bewies Klasse, ignorierte es und entfesselte einen gewaltigen Königsangriff.

 

20.Sh4 f4! 21.Sg6 Lxf2+! 22.Kh1 [22.Kxf2 Dc5+ 23.Ke2 f3+ 24.Kd1 (24.Lxf3 Txf3 25.Kxf3 Sc3+) 24...fxg2 25.Sxf8 Txf8] 22...Df7 23.Sxf8

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

23...f3! Konsequent gnadenlos – die Stellung ist aufgabereif. 24.Lh3 Lxe1 25.Lxe1 f2 26.Lxf2 Sf4+ 27.Lg2 Sxg2 28.Kg1 Txf8 29.Lxb6 Se3 30.Lxe3 Df3 0–1

Die zweite Runde wird wohl noch mehr Klasse, aber auch mehr kleinen und großen Sensationen bringen.

 

 

Tag 3 – Sonntag 3. August – 2. Runde

 

Roald Amundsen ist allgegenwärtig in Tromsö. Riesiges Denkmal. Massive Büste. Mit Bärenfell. Mit dem Blick in die unendliche Weite. Meterhohes Portrait. Historische Fotos. Mitten in der Stadt. An entlegenen Spazierwegen. Überall Amundsen.

Der einzige Mann, der es derzeit in Tromsö in punkto Popularität mit Kasparov „the future of chess“ aufnehmen kann. Nur Amundsens Fotos und Denkmäler werden wohl in der zweiten August-Hälfte nicht abgebaut. Er war kein gebürtiger Tromsöer, brach aber von hier aus zur mehreren Expeditionen auf. Im Polarmuseum in Tromsö ist ihm ein ganzes Stockwerk gewidmet.

An diesem trüben Sonntagvormittag war ich, mangels Alternativen, in diesem ungewöhnlichen Museum. In allen Schachhotels laufen die Vorbereitungen für die zweite Runde auf Hochtouren – MegaBase wird durchforstet, Engines laufen heiß. Ein paar old-fashioned-guys blättern in ihren Lieblingsbüchern.

Fußgängerzone – am Vortag noch voller Leben – ist komplett verwaist. Die Norweger nützen den Sonntag für Ausflüge in die Natur. Schlecht vorbereitete Schachtouristen geben sich mit einem Museumsbesuch zufrieden.

Beim späten Mittagessen treffe ich auf den bestens aufgelegten Heinz Herzog. Ohne sein Programm und die chess-results Homepage ist die Olympiade undenkbar. Heinz erzählte mir ein paar Geschichten aus der hektischen Anmeldungsphase und den ersten Versuchen festzustellen, wer nun wirklich alles da ist, wer noch irgendwann kommt und wer definitiv nicht dabei ist. Lustig ist auch eine Anekdote aus der hektischen ersten Runde. Die Amateure aus Bhutan setzen sich im Match gegen Luxemburg auf die falschen Seite und weder die Luxemburger noch der verantwortliche Schiedsrichter merken den Irrtum. Somit spielen alle vier Bretter mit der falschen Farbverteilung. Irgendwann merkt der arme Schieri, dass das Match verkehrt läuft und in seiner Verzweiflung rennt er zum Hauptschiedsrichter. Dieser trifft den salomonischen Entscheid: Weiter spielen. Und damit liegt er wohl richtig – die Luxemburger gewinnen auch mit falschen Farben locker mit 4:0. Die entspannten Bhutaner machen ihrem Land, dem einzigen auf der Welt mit einer aktiven „Kommission für das Bruttonationalglück“ und ertragen die Niederlage mit Fassung. Das Bruttonationalglück sinkt um einige Promille.

Das Bruttonationalglück der Slowenen sinkt hingegen in der zweiten Runde erheblich bereits um 14:00. Der Hauptschiedsrichter gibt die Runde frei und das Spitzenbrett der Slowenen, Alexander Beliavsky, ist nicht anwesend – 0:1 für Iran. Gegen 14:50 spaziert Beliavsky in den Spiellokal hinein, wundert sich wahrscheinlich warum es keine Warteschlange bei der Eingangskontrolle gibt, erkundigt sich noch wo die Slowenen in der riesigen Spielhalle spielen und kann die Welt nicht verstehen, als er an sein Brett ankommt. Die Runde beginnt, nach seiner Überzeugung, genau wie gestern um 15 Uhr. Die Slowenen verlieren das Match mit 2,5 zu 1,5.

Die Favoriten packen erwartungsgemäß ihre Spitzenbretter in der zweiten Runde aus, wackeln aber da und dort. Die Mitfavoriten Ukraine kommen über ein 2:2 gegen die zweite norwegische Garde nicht hinaus – Ivanchuk verliert überraschend schnell gegen den jungen Frode Urkedal. Die Kastanien aus dem Feuer holt der Ex-Europameister Alexander Moiseenko mit einer sehenswerten Angriffspartie gegen die neue norwegische Hoffnung mit iranischen Wurzeln, den 14-jährigen IM Aryan Tari.

 

Moiseenko,Alexander (2707) - Tari,Aryan (2440)

41st Olympiad 2014 Tromso NOR (2.4)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

14.Seg5 Klare Kampfansage 14...h6 15.Sxf7  wer A sagt muss auch B sagen 15…Txf7 16.Se5 e6 17.Sxf7 Kxf7 18.Dc2 Dc7?! Wenn man den weiteren Partieverlauf kennt, wäre hier der konsolidierende Springerrückzug 18…Se7 ratsamer.  

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

19.f5! öffnet vorentscheidend die f-Linie gxf5 20.Txf5 Ke7 21.Tf4 Se5 22.Lc3 Ld7

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

23.Txf6! klassische Zerstörung der Verteidigung Lxf6 24.Dh7+ Kd8 25.Dg8+ Ke7 26.Dxa8 Lc8 27.Le2 Kf7 28.Dxa7 1–0

 

Die Mannschaftsaufstellungen werden bereits am Vormittag bekannt gegeben und mit der Ankündigung von Magnus Carlsen an norwegischem Spitzenbrett war es klar, dass Medieninteresse und Zuschauerzahl enorm steigt. Und in der Tat, zahlreiche Fernsehteams, Pressefotografen und dicht gedrängten Zuschauerreihen platzierten sich bei der Partie Nyback-Carlsen. Der 29-jähirge Finne, vor Carlsen noch als große skandinavische Hoffnung gehandelt wurde, spielte sicher mit Weiß und steuerte souverän in den Remishafen.

 

Die Hohenemser Spitzenbretter, Eduardas und David, sind auch in der zweiten Runde souverän. Auch ein weiterer Ex-Hohenemser brilliert in der zweiten Runde – Boris Gelfand opfert in einer bekannten Königsindisch Variante chancenreich eine Figur.

 

Gelfand,Boris (2753) - Amonatov,Farrukh (2590)

41st Olympiad 2014 Tromso NOR (2.1)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

13.Sf5! Dieses Figurenopfer wurde im Jahr 2013 entdeckt und bescherte in der GM-Praxis dem Weißen mehrere schöne Siege. Weiß bekommt nur einen Bauern für die Figur, dafür aber klare Angriffsaussichten über die g-Linie. Der eingeschlafene Damenflügel des Schwarzen, im Königsindisch normalerweise kein Problem, erweist sich nun als großer Nachteil.

 

13…gxf5 14.gxf5 d5 15.cxd5 cxd5 16.Tg1 erst dieser Zug ist (lt. meiner Datenbank) eine (bestimmt vorbereitete) Neuerung 16…Kh8 17.Txg7 Und wieder das Thema die Beseitigung der Verteidigung Kxg7 18.Dg1+ Kh8 19.Lg5 Lxf5 20.Sxd5! Sbd7

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

21.Td1!  Die Krönung der weißen Strategie – Schwarz ist mit dem Mehrturm komplett verloren

21…Tg8 22.Sxf6 Txg5 23.Dxg5 Dxf6 24.Dxh5+ Kg7 25.exf5 Der Rest ist für einen Klassespieler für Boris nur noch eine leichte Fingerübung 25…Sb6 26.Dg4+ Kf8 27.Db4+ De7 28.Dc3 f6 29.Tg1 Tc8 30.Dd2 1–0

 

Aber auch sonst an den kleinen Nebenschauplätzen wurde mitunter Spitzenschach geboten. Als ich bei einer Kiebitzrunde das Damenmatch Litauen-Österreich (unsere Damen gewannen das packende Duell mit 2,5:1,5) erreichen wollte, lief ich an das Match Puerto Rico-Südkorea vorbei. Die Südamerikanerinnen führten bereits mit 3:0 aber in der vierten Partie herrschte große Nervosität und Aufregung – sowohl bei den Akteurinnen als auch bei den Betreuern und noch anwesenden Mannschaftskolleginnen.

 

You,Garam (1487) - Rivera Negron,Yanira (1603)

Olympiad w 2014 Tromso NOR (2.4)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die junge Koreanerin zog gerade 52.Td5+ und die Meinungen der Anwesenden über die Qualität des Zuges gingen offensichtlich auseinander. Ich war mir natürlich auch nicht sicher, wie das zwingend entstehende Bauernendspiel zu bewerten ist. Zum Glück ließ sich die Gegnerin unnötigerweise (Falls der schwarze König wegzieht, dringt der weiße Kollege entscheidend auf c5 ein) sehr viel Zeit und ich hatte die Gelegenheit die Varianten konkret zu berechnen – Weiß gewinnt!

 

52...Kxc6 53.Tc5+ Kd6 54.Txc7 Kxc7 55.Ke5 Kc6 56.Kf6 Kd5 57.Kg7 Ke4 58.Kxh7 Kxf4

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die forcierte Schlüsselstellung. Bis hierhin zog die Weiße berechtigterweise flott – es gab ja kaum Alternativen. Also hatte sie auch nun wieder ein schönes Zeitpolster. Und nun, anstatt ihre Zeit zu nützen, zog sie im gleichen Tempo den Zug

59.Kxg6?! Der thematische Durchbruch 59.h5 gewann am einfachsten 

59...Kg4 60.h5?? Und auch der zweite Matchball wurde flott vergeben - 60.Kf6 gewann, da die Umwandlung auf g8 mit Schach erfolgt. Das nun entstehende remisliches Damenendspiel habe ich nicht mehr live verfolgt.

f4 61.h6 f3 62.h7 f2 63.h8D f1D 64.Dd4+ Kg3 65.De3+ Kg4 66.De4+ Kg3 67.De5+ Kg4 68.Dd4+ Kg3 69.De3+ Kg4 70.De4+ ½–½

 

 

Tag 4 – Montag 4. August – 3. Runde

 

Das was der Karren für Dornbirn ist, ist Fjellheisen für Tromsö. Mein alter Schachfreund Jonas Sidabras aus Litauen und ich fuhren mit der altmodischen Seilbahn auf den 421 Meter hohen Tromsöer Hausberg und wanderten auf den 620 Meter hohen Aussichtspunkt mit atemberaubendem Blick auf die Tromsö-Insel und Umgebung. Die Wanderung, bei überraschend üppig blühender Vegetation und angenehm warmen Höhenwind, ließ uns viel Zeit für Schachgespräche. So erfuhr ich auch, dass die bevorstehenden FIDE-Wahlen im litauischen Parlament und in den TOP-Medien heiß diskutiert wurden. Dabei ging es vor allem um die Beziehung der beiden Kandidaten zu Vladimir Putin…

Die ersten Gigantenduelle (TOP 10 Mannschaften) standen heute auf dem Programm und die Akteure lieferten sich heiße Duelle – die Kurzremisen zwischen TOP-GMs bei den Mannschaftswettkämpfen gehören der Vergangenheit an. Durch den Schwarzsieg von Fressinet gegen Movsesian gewinnen die Franzosen gegen die Armenier. Die russische Sbornaja fegt mit 4:0 über Mazedonien hinweg. Und die Niederländer besiegen die Amerikaner, trotz des ersten Auftritts von Nakamura. Erwin L´Ami, vor einem Monat noch letzter bei den nationalen Niederländischen Meisterschaften, lieferte ein Musterendspiel gegen Gata Kamsky.

 

L'Ami,Erwin (2631) - Kamsky,Gata (2706)

41st Olympiad Open 2014 Tromso NOR

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

31.Se2! Der Springer wird auf sein Idealfeld f4 überführt, um alle wichtigen Felder (h5, g6, e6 und d5) zu kontrollieren.  Sg6 32.h5 Sf8 33.Sf4 Lc6 34.Tc1 Kf7 Der Vorteil auf dem Königsflügel (fixierte Schwäche auf g7) ist stabil. Um das Endspiel zu gewinnen sind aber zwei Schwächen notwendig – also erweitert Weiß die Kampfzone auf dem Damenflügel.  35.b4! Tc8 36.b5 Ld7 37.Tf1 Vereinfachungen nur bei Vergrößerung des Vorteils. Ke7 38.a4 b6 39.Ta1 Tc7 40.a5 bxa5 41.Txa5 Tb7

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nun ist auch die Schwäche auf a7 fixiert und seine Majestät bewegt sich langsam in dieser Richtung.

42.Kc3 Le8 43.Kb4 Lf7 44.Ta2 Le8 45.Ka5 Kd8 46.Tc2 Tc7 47.Tc5 Wie im 37. Zug – Vereinfachung nur… Ld7

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

48.e4! Nach umfassenden Vorbereitungen wird nun auch diese Ressource genützt. dxe4 49.Lxe4 Lc8 50.Tc2 Txc2 51.Lxc2 Lb7 52.Ld1 Ke7 53.Lg4 Kf7

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

54.Sd3! Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen – nun macht der Springer den Weg zum a7-Bauern für den König frei. g6 55.Sc5 Ld5 56.Ka6 Lc4 57.Se4 gxh5 58.Lxh5+ Kg7 59.Sd6 Ld5 60.Kxa7 Und der amtierende amerikanische Meister gab gegen den letzten der niederländischen Meisterschaften auf.  1–0

 

Der bulgarische Weltklassespieler Veselin Topalov ließ in den ersten zwei Runden seine Jungs spielen und sie lieferten souveräne 7,5 aus 8 gegen Salvador und die Arabische Emirate.  In der dritten Runde gegen Spanien setzte sich Vesko ans Brett und stellte seine Klasse eindrucksvoll unter Beweis.

 

Topalov,Veselin (2772) - Vallejo Pons,Francisco (2698)

41st Olympiad Open 2014 Tromso NOR

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der f5-Bauer ist wohl indirekt gedeckt?

18.Dxf5! Nein, ist er nicht!  Se4 19.Dxf8+ Lxf8 20.Sdxe4 Turm, Springer und der wichtige f5-Bauer sind die glänzende Kompensation für die Dame. Die weiße zahlenmäßige Übermacht stürzt sich auf die Schwächen d6 und e5.  Dc7 21.Td2 Kg7 22.Tfd1 Sf6 23.Sxd6 Lxd6 24.Txd6 De7 25.Lg3 Le8

 

 

26.Txf6! Setzt inspiriert fort – vorübergehend hat Weiß nur zwei Leichtfiguren für die Dame. Das harmonische Zusammenspiel und enorme Wirkung des weißen Quartetts kompensieren den materiellen Nachteil. Dxf6 27.Se4 Dg6 28.Sd6 La4 29.Td5 Db1+ 30.Kh2 Tf8 31.c5! Eine wichtige Entscheidung – Weiß setzt nun alles auf den c-Freibauern. Lb3 32.Txe5 Dc2 33.Lf3 Txf3 34.gxf3 bxc5 35.bxc5 La4 36.Sf5+ Kg6

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

37.c6! Noch eine Pointe: keine Blockade auf c6 – auf Lxc6 folgt Sd4 mit Figur- und Partiegewinn. h5 38.Sd4 Dc4 39.h4 gxh4 40.Lxh4 a5 41.Te6+ Kf7 42.Te7+ Kg6 43.c7 1–0

 

Den Bock der Runde schoss wohl der ungarische GM Zoltan Almasi. Beim Matchstand von 1,5:1,5 gegen die jungen Chinesen (Altersschnitt 23!) verteidigte er 30 Züge lang ein etwas schlechteres Damenendspiel erfolgreich. Dann aber in der sechsten Spielstunde passierte das Unglück.

 

Almasi,Zoltan (2690) - Yu,Yangyi (2668)

41st Olympiad Open 2014 Tromso NOR

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vier legale Königszüge auf f- und g-Linie sind Remis, nur nicht auf die e-Linie. Die Kondition, der Druck, die Müdigkeit, das Alter  - Almasi ist 38 und Yu 20...

81.Ke2?? De5+ 82.De3 Dxe3+ 83.Kxe3 f5 84.h5 a4 85.Kf4 a3 0–1

 

Die Hohenems-Ausbeute fiel heute mager aus: Eduardas pausierte freiwillig gegen Algerien und David verlor eine schwierige Partie gegen den hochkonzentrierten Engländer Mathew Sadler, der nach jahrelanger Pause wieder Lust am Spitzenschach hat.

 

Tag 5 – Dienstag 5. August – 4. Runde


Die Mannschaft der Straßenmeisterei ist mit einem Großaufgebot dran – eine Seite des Fußgänger Streifens der Tromsöer Brücke (Tromsøbrua, 1036 Meter lang) wird renoviert. Schweißapparate laufen mit Hochdruck, neues Material wird herangeschleppt und eingebaut. Auf der anderen Seite sind dann umso mehr Fußgänger: Familien gehen spazieren, ein rüstiger Rentner joggt im Hochtempo, Radfahrer klingeln immer wieder. Ich laufe zur Eismeerkatherdrale, die Kirche mit dem größten Glasmosaikfenster Europas. Unterwegs ziehe ich immer wieder mein Fotoapparat aus der Tasche und mache ein paar Amateurfotos – der automatische Blitz springt nicht an, es ist ja hell genug.

All das klingt trivial - nur es findet kurz vor Mitternacht statt. Um mich ein bisschen von der Schlaflosigkeit abzulenken, besuche ich das beliebte Mitternachtskonzert in der magischen Kirche. Die Dunkelheit und die „richtige“ Nacht werde ich wohl erst wieder in Dornbirn erleben. In der vierten Runde entscheide ich mich drei Matches näher zu verfolgen: Russland gegen China (vielleicht vorentscheidendes Spitzenduell), Serbien gegen Tschechien und USA gegen Südafrika. In der Partie Kramnik-Wang Yue fliegen die Fetzen – am Ende ist es doch Remis. Grischuk rettet ein ungleichfarbiges Läuferendspiel mit zwei Minusbauern. Hinten ist wenig los, also vier Remis. Bei den Serben avanciert Robert Markus mit einem plötzlichen Überfall zum Matchwinner.

Markus,Robert (2602) - Hracek,Zbynek (2634)

41st Olympiad Open 2014 Tromso NOR (4.3)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der routinierte Hracek hielt bisher die etwas passive Stellung souverän. Nun nach dem die Türme, auf der a-Linie abgetauscht wurden, fühlte er sich zu früh in Sicherheit und zog unachtsam

 

34...Lc8?

 

Sieht auf den ersten Blick logisch und gesund aus: Der passive Lb7 wird aktiviert. Nun aber folgte ein Blitz aus heiterem Himmel.

 

35.Lxh5!

 

Und doch ein Königsangriff, obwohl die weiße Dame scheinbar meilenweit von Königsflügel entfernt ist.

 

35... gxh5 36.Sf5+ Kg8 37.De3

 

Nun ist sie plötzlich da und gewinnt das Material mit Zinsen zurück.

37...Sf8 38.Dg5+ Sg6 39.Dd8+ Sf8

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

40.Dxc8!

 

Engines haben noch bessere Ideen (40.g4), aber ist durchaus menschlich und logisch in ein leicht gewonnenes Springerendspiel abzuwickeln – Mehrbauer und besser Bauernstruktur garantieren den wichtigen Mannschaftssieg.

 

40... Dxc8 41.Se7+ Kg7 42.Sxc8 f5 43.exf5 Kf6 44.f3 Kxf5 45.Kf2 e4 46.Se7+ Kf6 47.Sc6 exf3 48.Kxf3 Kf5 49.Sd4+ Ke5 50.Sb5 Sd7 51.Sxc7 Kf5 52.Sb5 Se5+ 53.Ke3 Sf7 54.Kd4 Kg4 55.Sxd6 Sxd6 56.c5 1–0

 

Im Match gegen Südafrika taten sich die hoch favorisierten Amerikaner unerwartet schwer, obwohl  Nakamura am Spitzenbrett mit Schwarz souverän gewann. An Brett drei warf Watu Kobese wie gewohnt alles nach vorne, nahm ein paar Bauernschwächen in Kauf und hatte vor der Zeitnotphase gute Remischancen. In der Partie Shankland gegen Gluckman passierte etwas Ungewöhnliches. Der junge ambitionierte Amerikaner opferte einen Bauern und verfügte über spürbare Kompensation. Gluckman, stark unter Druck, ließ seit dem 30. Zug seine Zeit auf ein paar Sekunden ablaufen um nach 40.Tcb1 dieses Spielchen auf die Spitze zu treiben.

 

 

Shankland,Samuel (2624) - Gluckman,David (2236)

41st Olympiad Open 2014 Tromso NOR

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als Gluckmans Uhr nur noch zwei Sekunden anzeigte, hob er endlich seine rechte Hand. Shankland (und ich auch) glaubten nicht mehr, dass er den Zug ausführen und die Uhr noch rechtzeitig drücken kann. Als Gluckman den Bauern auf b4 schlug, zeigte die elektronische Uhr 0:00 an. Dann haute der Südafrikaner auf die Uhr, und die Sprang auf 31 Minuten!

 

Shankland konnte seinen Augen nicht trauen – die Zeit war doch offensichtlich abgelaufen. Er hielt die Uhr an und reklamierte den Gewinn beim Schiedsrichter. Dieser war sich nicht sicher und holte den Bereichschiedsrichter und dieser entschied nach längeren Diskussionen auf Partiefortsetzung – die Uhr zeigt eindeutig +31.

 

40...axb4

 

Shankland schüttelte noch ein paar Minuten ungläubig den Kopf, beruhigte sich irgendwann und gewann im schönen Angriffsstil.

 

41.cxb4 Tc8 42.Dc3 Kb7 43.Tc1 g5 44.Kg1 g4 45.g3 Df8 46.Sd3 Df3 47.b5 Sb8 48.a5 h4 49.gxh4 Df8 50.axb6 Dd6 51.Sc5+ Kxb6 52.Ta1 cxb5 53.Da5+ Kc6 54.Da8+ 1–0

 

Die ganze Aufregung und Diskussionen in dieser Partie störten natürlich die Spieler an den benachbarten Brettern – einen aber ganz besonders, Gata Kamsky. Nur, bevor wir zu der aktuellen Stellung aus der Kamskys Partie gegen Henry Steel kommen, zunächst die Vorgeschichte dieser spannenden Partie:

 

 

Kamsky,Gata (2706) - Steel,Henry Robert (2399)

41st Olympiad Open 2014 Tromso NOR

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier zog Kamsky nach längerer Überlegung 22.f4 und der junge Südafrikaner schaute ihn kurz verwundert an. Steel überlegte noch ein paar Minuten und zog dann mit großer Zuversicht 22…Sd3.

Offensichtlich erwartete er nun den „einzigen“ 23.Tf1 worauf er schon einen klaren Plan gefasst hat. Aber die Keule von Kamsky ließ nicht lange auf sich warten.  23.Sf5!

 

„Egal wie viele Figuren hängen, der Gegner kann nur eine nehmen“ Michail Tal

 

Der Turm auf e1 ist eindeutig Tabu (Sh6 matt) und nach dem schlagen auf f5 sind die Horwitz-Läufer (zwei auf benachbarten Diagonalen stehende Läufer, die beide auf die gegnerische Königsstellung zielen) einfach zu stark. Kamsky stand entspannt auf und das feuerrote Gesicht von Steel sprach Bände. Er ließ sich auch die Zeit auf ein paar Minuten ablaufen und ich beschloss die Partie „bis zum Ende“ anzuschauen.

 

23...Te8 24.Sh6+ Kf8 25.Da1 Tc8 26.Lxf7 Lh4 27.Tf1 Tc2

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als Kamsky hier noch mit 28.f5 weitere Ressourcen in den Angriff einschaltete, befand ich, dass die Partie wohl vorbei ist und schlenderte zu den Matches, wo es vermeintlich mehr Spannung gab. Eine glatte Fehlentscheidung…

Se5 29.fxg6 Lxf1 30.Dxf1 hxg6 31.Lxg6+ Lf2+ 32.Lxf2 Kg7

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier kehrte ich zu diesem Match zurück und konnte die Reklamation von Shankland mitverfolgen. Irgendwann merkte ich zu meiner großen Überraschung, dass Kamsky noch nicht gewonnen hat. Und nicht nur das, er wirkte nervös und aufgeregt, versuchte vergeblich die Reklamationsdiskussionen zu Ende zu bringen. Aber wie steht es nun wirklich in der obigen Stellung? Wenn man eine Engine einschaltet, dann zeigt sich locker ein klarer Vorteil für Weiß. Aber wenn man am Brett sitzt und merkt, dass der mächtige Springer auf e5 alle weißen Mattdrohungen abwehrt, dass beide Leichtfiguren vorne hängen, dass die schwarzen Schwerfiguren auf einmal bedrohlich wirken, dann wird man leicht nervös. Und wenn man noch bedenkt, dass vor ein paar Zügen, Weiß haushoch auf Gewinn stand, dann kann man durch diesen brutalen Szenenwechsel die Partie verlieren. Auch mit Elo über 2700…

33.Lh5 Kxh6 34.Le3+ Kg7 35.h4 Dc8 36.Dd1 Dc6 37.De1 Kh7 38.Lg5 Dc5+ 39.Kh2 Df2 40.Dxf2 Txf2

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier war die Zeitnotphase für Steel endlich zu Ende und es war klar, dass nur noch zwei Ergebnisse möglich sind: Schwarz gewinnt oder Weiß schafft Remis. Der sonst zähe Kämpfer Kamsky (gestrige Endspielniederlage gegen L´Ami habe ich bereits kommentiert) ist eindeutig nicht in Höchstform. Henry Steel beweist Nerven aus Stahl und zieht die Partie durch. Sein zweiter großer Skalp – bei der Olympiade 2010 in Khanty-Mansiysk schlug er Luke McShane.

41. Le7 Td2 42.Le8 Td3 43.g3 Sg6 44.Ld8 Txa3 45.h5 Se5 46.Lc7 Te3 47.Lxa5 Txe4 48.Kh3 Te2 49.Lc7 Td2 50.g4 Kh6 51.Lb5 Kg5 52.Kg3 Sxg4 53.Ld8+ Sf6 54.h6 Kg6 55.Kf3 Th2 56.Lc7 Th3+ 57.Kg2 Tb3 58.Le2 Se4 59.Lf3 Tb2+ 60.Kg1 Sg5 61.Lg2 Td2 62.Lb6 Kxh6 63.Le3 Ta2 64.Lf4 Ta6 65.Lf1 Tb6 66.Kf2 Kg6 67.Ld3+ Kf6 68.Ke3 Sf7 69.Lc4 Se5 70.Lg8 Ta6 71.Ke4 Ta4+ 72.Ke3 Ta8 73.Lh7 Ke6 74.Lc2 Ta3+ 75.Ke2 d5 76.Lh7 d4 77.Le4 Ta2+ 78.Kf1 Sc4 79.Ke1 Se3 80.Lg3 Tb2 81.Lc7 Sd5 82.Lg3 Sf6 83.Ld3 Kd5 84.Lf4 Sd7 85.Lh7 Se5 86.Lg3 Sf3+ 87.Kd1 d3 88.Lf4 0–1